Der OECD-Vergleich zeigt, dass Österreich Arbeit höher besteuert als schädliches Verhalten oder Vermögen.
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Wien. Österreichs Abgabenquote ist 2017 auf 41,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken, im Jahr davor lag sie noch bei 42,2 Prozent. Dieser Rückgang der Abgabenquote ist vor allem auf die Lohn- und Einkommensteuerreform 2015/16 zurückzuführen. Der am Mittwoch veröffentlichte Steuervergleich der OECD-Länder zeigt allerdings auch, dass Österreich damit nach wie vor deutlich mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge als andere Länder einhebt: Im OECD-Durchschnitt waren es im vergangenen Jahr 34,2 Prozent, um 0,2 Prozentpunkte mehr als im Jahr davor.
Der Plan der Regierung ist es, die österreichische Abgabenquote bis zum Ende der Legislaturperiode, also 2022, auf 40 Prozent zu senken, unter anderem mit einer Einkommenssteuerreform 2020. Beschlossen soll das Gesetz im Herbst 2019 werden, die Eckpunkte werden jedenfalls bei einer Regierungsklausur am 10. und 11. Jänner 2019 besprochen. Laut ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz wolle man sich auf die auf "kleine und mittlere Einkommen" konzentrieren.
Sowohl Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) als auch Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) betonten bereits mehrfach, dass die Tarifentlastung auch Unternehmen zugute komme. Man wolle auch Körperschaftssteuern senken und gegen Ende der Legislaturperiode die Kalte Progression abschaffen. Martin Kocher und Benjamin Bittschi, Leiter und Steuerexperte des Instituts für Höhere Studien, haben das aktuelle System analysiert und geben Empfehlungen für die Reformen ab.
Arbeit ist in Österreich im Vergleich hoch besteuert
Der aktuelle OECD-Ländervergleich zeigt einmal mehr, dass Österreich Arbeit deutlich mehr als andere Länder mit Steuern und Abgaben belastet: Die Lohn- und Einkommenssteuern alleine wären noch nicht das Problem, die machen hierzulande 22 Prozent aus, in der OECD sind es 24 Prozent. In Österreich sorgen aber Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit ihren Sozialversicherungsabgaben für weitere 35 Prozent der Einnahmen, im OECD-Durchschnitt 26 Prozent. Und sieben Prozent speisen sich darüber hinaus aus Lohnnebenkosten, im OECD-Durchschnitt aber nur ein Prozent.
Weil die Belastung über die Sozialversicherung schon bei niedrigen Einkommen einsetzt, was laut Bittschi und Kocher zu "beschäftigungsfeindlichen Anreizen" führt, war das Senken der Arbeitslosenversicherungsbeiträge "aus unserer Sicht ein richtiger Schritt". Mit heurigem Juli wurde die Grenze, bis zu der kein Arbeitslosenbeitrag fällig ist, auf 1648 Euro Bruttoeinkommen im Monat erhöht, bis 1948 Euro sind weniger als die sonst üblichen drei Prozent fällig. Es sei ein Schritt, dem "jedoch weitere Entlastungen folgen sollten", sagten die IHS-Experten und schlagen zum Beispiel das Senken des Einstiegssteuersatzes von derzeit 25 Prozent vor; in Deutschland liegt er bei 14, in Tschechien bei 15 Prozent.
Das Geld dafür würden sie aus den jährlich 764 Millionen Euro kostenden Pendlerpauschalen wegen ihrer "umweltökonomisch suboptimalen Lenkungseffekte" und der Steuerbegünstigung des 13. und 14. Monatsgehaltes holen. Das könnte "eine Tarifsenkung über alle Stufen von etwa vier Prozent ermöglichen".
Letzteres wurde allerdings bereits im Regierungsprogramm ausgeschlossen. Beides gilt in Österreich außerdem vielen als heilige Kuh und solche kann man bekanntlich nicht schlachten.
Geringe Umwelt, Alkohol- und Tabaksteuern
Bei Konsumsteuern ist die Umsatzsteuer Österreichs bedeutendste Einnahmequelle, mit 18 Prozent aller Steuereinnahmen liegt sie knapp unter dem OECD-Durchschnitt von 20 Prozent. Deutlicher ist der Unterschied bei Mineralöl, Alkohol- oder Tabaksteuern. Ein Steuerbericht der EU-Kommission zeigt überhaupt, dass sich Österreich bei Umweltsteuern im Vergleich zu anderen zurückhält: Mit 2,4 Prozent aller Steuereinnahmen landet man auf Rang 17 von 28. Bittschi und Kocher sehen hier deshalb "geeignete Ansatzpunkte zu einer möglicherweise nötigen Gegenfinanzierung beabsichtigter Steuersenkungen". Die Regierung aber nicht, unter den Leuchtturmprojekten sind keine Steuererhöhungen vorgesehen, die Anreiz wären, umweltschädliches Verhalten wie Tanktourismus zu vermeiden.
Im Gegenteil: Im am Mittwoch im Ministerrat beschlossenen Punktation zum "Erneuerbaren Ausbau Gesetz 2020" wird mit jener auf selbst erzeugten Strom eine Steuer abgeschafft. Das macht zwar umweltpolitisch Sinn, führt aber zu geringfügig weniger und nicht mehr Steuereinnahmen. Die Regierung will Tabaksteuererhöhungen ab 2019 aussetzen, das sei laut IHS-Experten "gesundheits- und steuerpolitisch als wenig zielführend einzuschätzen".
Unternehmenssteuern liegen im Mittelfeld
Sowohl die OECD als auch die IHS-Experten stellen fest, dass Österreich Unternehmen im Vergleich zu anderen Ländern nicht über Gebühr mit Steuern belastet: Laut Bittschi ist sie "seit Jahren stabil", und im OECD-Durchschnitt kamen neun Prozent der Einnahmen aus Körperschaftssteuern, in Österreich dagegen sechs.
Die Regierung hat mit der Senkung des Umsatzsteuersatzes für Übernachtungen von 13 auf 10 Prozent trotzdem ab diesem November Tourismusbetriebe entlastet. Auch die Senkung der Körperschaftssteuer, "insbesondere auf nicht entnommene Gewinne" ist im Rahmen der Steuerstrukturreform als Ziel im Regierungsprogramm vermerkt. "Eine Körperschaftsteuersenkung zur Stärkung des Standorts ist ein valides Argument", befinden die IHS-Experten. Entscheidend seien aber nicht nominelle, sondern effektive Steuersätze - und da liegt Österreich wie kürzlich in der "Wiener Zeitung" berichtet, mit 23,1 Prozent in Europas Mittelfeld.
Vermögenssteuern bleiben, obwohl niedrig, rotes Tuch
Wie schon in der Vergangenheit lenkt die OECD auch in ihrem aktuellen Bericht den Blick auf Österreichs niedrige Vermögenssteuern: Sie machten 2016 0,8 Prozent des BIP aus, im Durchschnitt aller OECD-Länder sind es sechs Prozent.
Die IHS-Experten weisen darauf hin, dass eine starke steuerliche Umverteilung der Einkommen sich zwar indirekt auch auf eine gleichmäßigere Verteilung der Vermögen auswirke, mit einer aufkommensneutralen Umschichtung hin zu direkten Besteuerung aber auch "Effizienzgewinne realisiert werden" könnten. Bittschi und Kocher nennen Steuern auf Vermögenszuwächse wie Kapitalertragssteuern oder solche auf Übertragungen von Vermögen als Möglichkeiten.
Gerade für Erbschafts- und Schenkungssteuern gebe "aus finanzwissenschaftlicher Sicht Argumente für solche Steuern", sie seien laut IHS-Experten aber politisch "nicht mehrheitsfähig". Nicht nur das, mehr noch: Als es beim Ministerrat um die Pflege ging, schloss die Regierung Erbschaftssteuern zur Finanzierung einmal mehr dezidiert aus.