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Mit dem europäischen Einigungsprozess kommt auch die universitäre Ausbildung in Bewegung. Im Rahmen der EU bieten sich kosmopolitisch ausgerichteten StudentInnen einige Möglichkeiten, ihren Wissensdurst auf internationaler Ebene zu stillen.
Bildung wird zur Zeit groß geschrieben. Wieder einmal. Schon am Ausgang des Mittelalters erkannten weitsichtigere Menschen, dass ein wenig mehr in der Birne durchaus auch ein wenig mehr in der Börse bedeuten konnte. Vor allem in den aufstrebenden Städten entstanden Bildungseinrichtungen, die ob ihres "universalen Charakters" bald Universitäten genannt wurden. Einige dieser Institutionen erwarben sich einen weit über die (damals übrigens eher engen) Landesgrenzen hinausreichenden Ruf, was die Studentenschaft der Renaissance dazu veranlasste, auch einmal die Luft eines fremden Campus zu schnuppern. Universitäten wie die Sorbonne, die Karls-Universität in Prag, aber auch die Alma Mater Rudolfina erfreuten sich bald eines regen Zustroms ausländischer Bildungswilliger. Und in der Tat gehörte es zum bon ton, in seinem akademischen Curriculum Vitae auch die eine oder andere Station außerhalb der heimatlichen Scholle aufweisen zu können. Was dem Gesellen die Wanderschaft war dem Studenten das "Auslandssemester".
Mit diesen Studien wurden im Übrigen Grenzen im doppelten Sinne überschritten. Nicht nur, dass junge Leute aus deutschen Landen in Prag studierten, Spanier nach Italien gingen oder Schotten nach Oxford, nein, in den meisten studentischen Quartieren fasste man die Lernenden nach ihren Affinitäten zusammen, ungeachtet enggesteckter sprachlicher oder konfessioneller Grenzen. Ein Gedanke, an den nun, gut 500 Jahre später, die Europäische Union offensichtlich anzuknüpfen gewillt ist.
Seit 1987 wird im Rahmen des Bildungsprogrammes SOKRATES/ERASMUS der Gedanke des europäischen Austauschs an Ideen, "good practice" aber auch die Mobilität der Studenten gefördert. So nahmen in der Zeit von 1987 bis 1999 640.000 Studenten und 20.000 Lehrer an den Mobiltätsprogrammen von SOKRATES/ERASMUS teil. Die Zahl der Staaten, die daran partizipieren können, ist in der Zwischenzeit auf 24 gestiegen und schließt neben den EU-Mitgliedsstaaten auch die EFTA Staaten und sechs weitere assoziierte Länder mit ein. Im akademischen Jahr 1999/2000 sollen Länder vor allem aus dem Umfeld der Beitrittskandidaten folgen.
Studenten, die bereit sind, für zumindest 3 Monate und maximal ein akademisches Jahr ins Ausland zu gehen, wenden sich am besten an das Erasmus-Büro ihrer Fakultät, wo sie Informationen über die Austauschprogramme, an denen das Institut beteiligt ist, erhalten. In diesem Punkt hat sich für den einzelnen Studenten wenig geändert, der Hürdenlauf ins Ausland beginnt an der eigenen Alma mater und endet - so die diversen Universitäten mit sich und der Kommission einig geworden sind - im gewünschten Studienland. Die Zeiten, wo das Ränzel ohne eine stattliche Anzahl von Formularen geschürt werden konnte, sind trotz grenzenloser Europäischer Union wohl unwiderruflich vorbei.
Um den Studenten den Auslandsaufenthalt zu erleichtern und vor allem um sicherzustellen, dass ihre Studien danach auch an der Heimatuniversität anerkannt werden, hat die Europäische Kommission das sogenannte "European Credit Transfer System" (ECTS) entwickelt, das Lernerfolge messen soll. Mit Hilfe der "ECTS"-Punkte wird ein Kurs und der Arbeitsaufwand, ihn erfolgreich zu beenden, beschrieben. Diese Punkte enthalten die Summe an Vorlesungen, praktischer Arbeit, Seminaren usw., die vonnöten ist, um ein akademisches Jahr abzuschließen. Das "ECTS" ersetzt nicht das in den meisten Ländern Europas übliche Notensystem, gibt aber Zusatzinformationen über die Arbeit eines Studenten und seine Lernerfolge in der Periode seines Aufenthaltes. Der Vorteil für die beteiligten Universitäten dabei ist, dass das "ECTS" Vergleiche ermöglicht, aber auch dazu dienen kann, über Curricula, Strukturen, Arbeitsaufwand der Studenten und ähnliches mehr zu reflektieren.
Für Studenten, die ihr Auslandsemester in einem Land verbringen möchten, dessen Landessprache nicht gerade zum üblichen Kanon des Fremdsprachenunterrichtes gehört, wie z.B. Finnisch, Isländisch, Estnisch usw., bietet die EU sogenannte intensive sprachliche Vorbereitungskurse an. Damit sollen Studenten befähigt werden, später während ihres Auslandssemesters am sozialen, akademischen und kulturellen Leben ihres Gastlandes zu partizipieren. Teilnahmeberechtigt sind alle Studenten, die in einem dieser Länder für ein Gastsemester akzeptiert wurden.
Die Förderung der "physischen Mobilität" wird auch weiterhin einer der Schwerpunkte im Rahmen von Erasmus sein, gleichzeitig soll in Zukunft aber auch jenen Initiativen an Universitäten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, die bewusst versuchen, die europäische Dimension in ihr Kursprogramm einzubinden. Der neue Geist von ERASMUS soll auf Wunsch der Union sein, "die Studenten nach Europa und Europa zu allen Studenten zu bringen".
Wer als österreichischer Maturant nun aber den kühnen Plan verfolgt, nicht nur auf ein Semester an einer ausländischen Uni vorbeizuschnuppern, dem wird zumindest von österreichischer Seite nichts in den Weg gelegt. Die Hürden beginnen eher auf der anderen Seite. Will man beispielsweise in Edinburgh Ökonomie studieren, so gilt es zu bedenken, dass das britische Studiensystem ein wenig anders aussieht als das hiesige. Bei Oxford, Cambridge und Co. muss man sich erst um eine Aufnahme bewerben und sich eines entsprechenden Verfahrens unterziehen. Erst wenn man wirklich angenommen wurde, sollte man den Flieger in die schottische Hauptstadt buchen - es sei denn, man gibt sich auch mit einer touristischen Stipvisite auf die Royal Mile zufrieden. Konkrete Hinweise für ein solches Studium holt man sich im gegenständlichen Fall beim British Council (1010 Wien, Schenkenstraße 4, Tel. 01/533 26 16), das einen dann mit den jeweiligen Adressen versorgt. Die anvisierte Universität übersendet dann die weiteren Materialien. Dabei macht es durchaus Sinn, sich bereits ein Jahr vor dem geplanten Studienbeginn mit der gewünschten Alma Mater in Verbindung zu setzen. Hierzulande gilt es, beim zuständigen Finanzamt die Formalitäten für die Nachsendung der Familienbeihilfe fristgerecht zu erledigen, will man verhindern, vor der St. Giles-Kathedrale um ein wenig Haggis bitten zu müssen. Ist dann aber das Studium einmal erfolgreich absolviert und ein akademischer Grad erlangt, so bieten sich zwei Möglichkeiten. Man kann bei der entsprechenden österreichischen Fakultät ein Nostrifizierungsverfahren einleiten und so den britischen Titel in einen österreichischen umwandeln lassen, man hat aber auch das Recht, den Edinburgher "Master" an den Familiennamen anzuhängen. Statt Mag. XY hieße es dann bspw. XY, M.A. (Edinburgh). Im Zweifelsfalle wendet man sich an das Wissenschaftsministerium, wo eine eigene Abteilung für alle Knifflichkeiten gewappnet ist. Wenn auch Europa, wie es heißt, näher zusammenrückt, so empfiehlt es sich also generell, sich zunächst einmal über das jeweilige Universitätssystem des angestrebten Landes zu informieren. Am besten bei der jeweiligen Botschaft oder, so vorhanden, dem Kulturinstitut.
Doch nicht nur der universitäre Bereich soll sich transnational austauschen, mit dem Programm LEONARDO wird die Mobilität auch im Bereich der Berufserstaus- und Weiterbildung gefördert. Die Idee der Wanderjahre, von deren erfolgreiche Vergangenheit noch heute zumindest in Wien, hinter Glas geschützt, der Stock in Eisen kündet, bekam mit dem Berufsbildungsprogramm LEONARDO einen neuen Auftrieb. Es ist offen für insgesamt 31 Länder, alle EU und EFTA Staaten sowie alle Staaten, die sich auf einen EU-Beitritt vorbereiten. Gefördert wird vor allem ein Praktikum bis zu 12 Monaten im Ausland für alle, die sich in der beruflichen Erstausbildung befinden (Lehrlinge sowie Schüler berufsbildender Schulen) und junge Arbeitnehmer. Deklariertes Ziel dabei ist, dass in den nächsten sieben Jahren rund 250.000 Personen die Möglichkeit eines beruflichen Praktikums im Ausland geboten wird.
Dass da auch die Ausbildner, Lehrer, Unversitätsprofessoren, Trainer in Erwachsenenbildungsinstitutionen mitziehen müssen, versteht sich fast von selbst. In jedem der Bildungsprogramme sind eigens Gelder für die Weiterbildung der Weiterbildner vorgesehen, die es ihnen ermöglichen sollen, entweder fachlich entsprechende Kurse zu besuchen oder Lehrerfahrung im Ausland zu sammeln.
Es sind jedoch nicht die Mobilitätsprogramme allein, die den grenzüberschreitenden Austausch im Bildungsbereich und damit, so zumindest die Hoffnung von Politikern und Bildungsfachleuten, ein offenes, multilinguales und vor allem wettbewerbsfähiges Europa sichern helfen sollen. Sowohl SOKRATES als auch LEONARDO bieten eine Reihe von Möglichkeiten, anhand thematischer und zielgruppenorientierter Interessensgebiete Kooperationsprojekte einzugehen. In den Jahren ihres Bestehens entstanden so tausende Netzwerke in den verschiedensten Bereichen - interkulturelle Bildung, Curriculumsentwicklung, Einsatz neuer Technologien und Medien im Bildungsbereich, das Erlernen von Sprachen, berufsbegleitende Weiterbildung, neue Berufe und vieles mehr, die den Informationsaustausch, die Verbreitung von Erfahrungen und bewährten Praktiken fördern. Mehr noch, durch gezielte Auflagen bei den einzelnen Schwerpunkten in diesen Projektbereichen wird gesichert, dass sich nicht traditionell nahestehende Organisationen immer wieder der Einfachheit halber europaweit zusammenschließen, sondern dass neben der nationalen Grenze oft bei der Arbeit an einem Projekt auch die institutionelle überschritten werden muss. So sitzt dann neben dem Experten aus der Berufsbildung der Allgemeinbildner, neben der Universitätsprofessorin der Weiterbildungsverantwortliche aus einem Klein- und Mittelbetrieb. Kurz ein Hort "interkultureller" Mißverständnisse, aber auch eine Herausforderung, nicht so sehr an die physische Mobilität des einzelnen als an die geistige.
Weiter Infos über die Bildungsinitiativen der Europäischen Union oder über SOCRATES/ERASMUS und LEONARDO gibt es auf der Homepage der Generaldirektion XXII unter http://europa.eu.int/en/comm/dg22
oder an eines der nationalen Büros wenden.
LEONARDO: Schottengasse7/5, 1010 Wien, Telefon:01/532 47 260
www.oead.ac.at/LEONARDO
SOCRATES/ERASMUS: Schreyvogelgasse 2, 1010 Wien, Telefon: 01/534 080
www.sokrates.at