Zum Hauptinhalt springen

Österreichs Wildschweine strahlen immer noch

Von WZ Online

Wissen

25 Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl sind die Auswirkungen in Österreich spür- bzw. messbar - und das offenbar deutlicher, als angenommen. Die Umweltschutzorganisation Global 2000 hat Stichproben von Wildschweinfleisch testen lassen und präsentierte am Freitag das Ergebnis: Die Grenzwerte von radioaktivem Cäsium wurden klar überschritten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Heftige Kritik musste sich deswegen die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gefallen lassen, die von den Umweltschützern wegen ihrer Informationspolitik angegriffen wurde.

"Wir waren selbst überrascht. Schon die erste Stichprobe, die wir gezogen haben, war sehr stark belastet", berichtete Atomexperte Reinhard Uhrig von Global 2000 im Rahmen einer Pressekonferenz. Das getestete Wildschweinfleisch wies laut einem Prüfbericht der Seibersdorf Laboratories eine Radioaktivität von 1.060 Becquerel pro Kilogramm auf - der zulässige Grenzwert liegt bei 600 Bq/kg. "Dieses Fleisch hätte sofort vernichtet werden müssen und dürfte nie und nimmer in den Handel kommen. Wir haben es aber ganz normal gekauft", so Uhrig.

Freilebende Wildschweine würden besonders in der kalten Jahreszeit ihrer Vorliebe nach sogenannten Hirschtrüffel frönen. Diese wachsen tief im Boden und sind daher besonders mit Cäsium belastet, das eine Halbwertszeit von 30 Jahren hat. Ähnlich belastet seien Rentiere in Skandinavien, Schafe in Wales sowie Raubfische in stehenden Gewässern.

Schwere Vorwürfe gegen AGES

Schwere Vorwürfe erhob Global 2000 gegen die AGES. Das Problem bei Wildschweinen sei schließlich bekannt: "In Baden-Württemberg und Bayern müssen alle geschossenen Wildschweine auf Radioaktivität getestet werden - es gibt immer wieder Fälle von Überschreitungen der Messskala, d. h. von mehr als 10.000 Bq/kg. Kontrolle und Information ist auch in Österreich notwendig. Was die AGES tut, ist aktiv desinformieren und beschwichtigen", kritisierte Uhrig und verglich deren Informationspolitik mit jener der japanischen Nuklearaufsicht. "Es wird behauptet, dass die jährlich aufgenommenen Wildfleisch- und damit Radioaktivitätsmengen so gering sind, dass sie 'gesundheitlich unbedenklich' seien. So nachzulesen auf der AGES-Homepage, wo sogar die zehnfache Überschreitung des Grenzwerts verharmlost wird."

"Jeder potenzielle Treffer von ionisierten Strahlen ist gefährlich. Wir sind ohnehin ständig natürlicher Strahlung ausgesetzt, da gilt es Zusatzbelastungen zu vermeiden", betonte Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Deshalb sei Information seitens der Behörden überaus wichtig. Genau das geschehe laut Global 2000 in Österreich kaum bis gar nicht. "Es wird fahrlässig gehandelt - auch vom Gesundheitsminister. Denn der Anteil an freilebenden Wildschweinen, die im Handel sind, ist gering. Deshalb sollte es eigentlich kein Problem sein, jedes geschossene Tier zu kontrollieren."

Die Messergebnisse von Global 2000 riefen auch die Grünen auf den Plan. Sie fordern nun von Gesundheitsminister Alois Stöger (S) verschärfte Kontrollen und einen Monitoring-Bericht über die Strahlenbelastung von Lebensmitteln, "insbesondere auch bei Wild, Beeren und Pilzen", so der Sprecher für Lebensmittelsicherheit, Wolfgang Pirklhuber. Zudem sei eine wissenschaftliche Überprüfung und Herabsetzung der Grenzwerte "ein Gebot der Stunde".