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Der übliche undifferenzierte Vergleich der Wachstumsraten von Ländern auf unterschiedlicher Entwicklungsstufe ist irreführend. Für reiche Nationen (wie zum Beispiel Österreich) genügt schon eine Wachstumsrate von "nur" 2%, um den realen Vorsprung vor Schwellenländern mit dem halben Einkommensniveau und einer doppelt so hohen Rate von 4% konstant zu halten, ohne an Boden zu verlieren.
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Auch die überschätzten USA wachsen längerfristig trotz äußerst expansiver Wirtschafts- und Finanzpolitik nur dank starker demografischer Expansion (Zuwanderung und Geburtenüberschuss) dynamischer als die EU und Österreich. Auf der allein maßgeblichen Pro-Kopf-Basis (je Einwohner) fallen sie sogar leicht zurück. Seit Beginn der jüngsten Abschwungphase (2000/04) schrumpft die Dynamik der USA pro Kopf auf enttäuschende 0,7% pro Jahr, das ist sogar weniger als in der EU (1,0%) und Österreich (0,8%). Auch längerfristig bleiben die USA fast kontinuierlich hinter Europa zurück.
Trotz gedämpfter Konjunkturlage kommt es daher auch in der internationalen Einkommens-Hierarchie der OECD kaum zu signifikanten Verschiebungen in der Spitzengruppe. Österreich verteidigt dort unangefochten einen glänzenden 6. Rang hinter Luxemburg, USA, Norwegen, Irland und der Schweiz - wobei zufällige Sonderfaktoren diese Rangordnung maßgeblich beeinflussen. Luxemburg ist als Stadtstaat mit massiven ausländischen Einpendlern und als lukrativer Finanzplatz kaum sinnvoll mit klassischen Industrieländern vergleichbar. Norwegen profitiert fast nur von seinem riesigen Ölschatz. Irland wird als Nettoempfänger von der EU massiv subventioniert und von US-Konzernen als Standbein in Europa favorisiert. Die Schweiz verliert seit Jahrzehnten permanent an Boden in Europa und liegt nur noch ganz knapp vor Österreich.
Die führende Rolle der USA ist zwar noch immer unbestritten, wird aber von hartnäckigen wirtschaftlichen Schwächen nachhaltig bedroht. Die Nation lebt wegen ihrer geringen Sparkraft und hohem Militäraufwand weit über ihre Verhältnisse und kann sich nur durch gewaltige Staats- und Leistungsbilanzdefizite finanzieren, in auffallendem Gegensatz zur EU und Österreich. Außerdem ist die Inflation höher und die industrielle und Exportdynamik im Vergleich zur EU und Österreich erstaunlich schwach. Lediglich die Arbeitslage der USA erscheint erträglicher, wenn man die Anzahl von mehr als 2 Millionen Häftlingen unberücksichtigt lässt.
Arbeitslosigkeit in Maßen
In Österreich wird die derzeit relativ prekäre Arbeitslage als das dringlichste Problem der Wirtschaftspolitik betrachtet. Aber auch diese ist in Wahrheit dank unserer optimalen Standortqualität besser als ihr Ruf. Die offizielle Arbeitslosenquote ist mit 4,6% (2005) eine der niedrigsten in der gesamten westlichen Welt. Hinter diesem an sich guten Wert verbirgt sich ein noch besserer qualitativer Bonus. Die mittlere Dauer der Arbeitslosigkeit in Österreich von bloß 15 Wochen ist die kürzeste seit Jahrzehnten und ein internationales Vorzeigemodell betreffend Langzeitarbeitslosigkeit. Der rasche erfolgreiche Strukturwandel erhöht zwar die eher harmlose kurzfristige Friktionsarbeitslosigkeit, er verringert hingegen die viel gefährlichere Langzeitarbeitslosigkeit. Davon sind in Österreich deutlich weniger als 1%-Punkt der Arbeitslosenrate betroffen.
Export als Erfolgsgeschichte
Die heimische Exportwirtschaft erlebt schon seit Jahrzehnten eine einzigartige Erfolgsgeschichte mit dem Ergebnis der Eroberung des höchsten Marktanteils aller Zeiten am Weltexport. Das industrielle und Exportwachstum bewegt sich bis zuletzt im Spitzentrio der OECD dank des rasanten positiven Strukturwandels und der besten Lohn-Stückkosten seit einem halben Jahrhundert. Erstmals seit Gründung der 1. Republik erzielt Österreich einen seit jeher unvorstellbaren Exportüberschuss sowie eine strukturell aktive Leistungsbilanz.
Sparsamer Staatshaushalt
Das besonders ehrgeizige Ziel eines Null-Defizits ist wegen der Steuerreform 2005 zwar noch nicht in Reichweite, der Abgang von weniger als 2% (des BIP) ist vergleichsweise doch eher harmlos. Die USA und die EU-15 schneiden um ein Mehrfaches schlechter ab als Österreich. Jene wenigen Länder, die noch besser oder sogar aktiv bilanzieren, schaffen dies in der Regel kaum durch rigorosere Einsparungen, sondern nur durch noch höhere Steuerquoten (Schweden, Dänemark und Finnland).
Fazit: Auf der Überholspur
Die von uns seit Generationen beneideten Vorbilder Deutschland und Schweiz haben in wirtschaftlicher Hinsicht seit Beginn der EU-Integration viel von ihrem alten Nimbus verloren. Heute beneiden uns beide Nachbarn selbst um die hervorragende ökonomische Performance Österreichs auf nahezu allen Ebenen. Die behauptete "Wachstumsschwäche" ist zu relativieren, weil sie weitgehend durch Rückschläge unserer wichtigsten Handelspartner (Deutschland, Schweiz und Italien) verursacht wurde und folglich nicht hausgemacht ist.
Die schwere Belastung konnte auch nicht völlig durch die erfolgreiche "Ostöffnung" wettgemacht werden. Der derzeit laut offizieller Prognose wieder erreichte Wachstumspfad von 2% (04/06) ist daher eher positiv und nicht negativ zu werten. Dadurch ist Österreich immerhin wieder auf seine traditionelle "Überholspur" in Europa zurückgekehrt. Das Paradoxon Wirtschaftserfolg trotz "Wachstumsschwäche" entspringt daher lediglich einem Denkfehler.
Der Arbeitsmarkt wird trotz optimaler Standortqualität und einem trotz allem steigenden Arbeitsplatzangebot derzeit durch massive Zuwanderung und einer zunehmenden Erwerbstätigkeit von Hausfrauen zusätzlich belastet. Eine nachhaltige Senkung der friktionellen Arbeitslosigkeit ist daher erst absehbar, wenn mittelfristig die Erwerbsquote der 15- bis 60-Jährigen aus demografischen Gründen spürbar sinken wird. Erst dann wird totale Vollbeschäftigung möglich sein. Nicht zuletzt ermöglicht auch unser solides Wirtschaftssystem eine besser als anderswo finanzierbare Gesundheits-, Pensions- und Sozialvorsorge für alle.