Über den Text der Bundeshymne wird wochenlang heftig debattiert. Österreichs Haltung im Streit um den Euro und die EZB bleibt hingegen hinter einem diskreten Paravent verborgen. Seltsam.
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Manchmal ist an einer Meldung nicht interessant, worüber darin berichtet wird, sondern eher, worüber darin nicht berichtet wird. Zum Beispiel im Magazin "Spiegel", wo diese Woche unter dem Titel "Geld oder Beben" ausführlich über den heftigen Streit innerhalb der Führung der Europäischen Zentralbank (EZB) berichtet wird.
Dort ist ja bekanntlich die Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür, nationale Budgetdefizite zumindest indirekt durch den Ankauf von Staatsanleihen (etwa Italiens) zu finanzieren. Vor allem Deutschland sieht darin hingegen richtigerweise einen Tabubruch und fürchtet, dass die EZB auf diese Weise Inflation herbeiführen würde. Wörtlich berichtet der stets gut informierte "Spiegel" dazu: "Mit dramatischen Worten rief Trichet seine Kollegen zum Handeln auf (also dem Erwerb von Staatsanleihen zuzustimmen, Anm.)... doch Bundesbank-Chef Weidmann, der deutsche EZB-Volkswirt Jürgen Starck und die Vertreter Luxemburgs und der Niederlande hielten dagegen." Von Österreich war da nicht die Rede.
Wenn das stimmt und vollständig ist, dann hat die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) bei dieser historischen Abstimmung also nicht mit dem deutschen Stabilitätsblock gestimmt, sondern sich auf die Seite der Euro-Weichmacher geschlagen, die derzeit im EZB-Rat die Mehrheit haben.
Das ist bemerkenswert. Denn seit die Republik den damals noch existierenden Schilling unter dem Finanzminister Hannes Androsch an die D-Mark gebunden hat, galt Österreich als Teil des erfolgreichen Hartwährungsblockes in Europa. Und das war gut so. Die Republik ist mit dieser Politik immer extrem gut gefahren. Unter dem Druck der harten Währung lief vor allem die Industrie zu jener Höchstform in Kreativität, Produktivität und technologischer Potenz auf, die ihre bis heute beeindruckende Position im Export begründet hat. Gleichzeitig half der starke Schilling, Importe zu verbilligen und damit die Kaufkraft zu erhöhen.
Auch wenn es nirgendwo festgeschrieben war: Dass Österreich nach dem Eintritt in die Euro-Zone diese Politik an der Seite Deutschlands fortführen würde, war nicht nur wünschenswert, sondern auch zu erwarten. Doch wenn der (undementierte) "Spiegel"-Bericht stimmt, dann hat Österreich diese Jahrzehnte lang erfolgreiche Politik mittlerweile höchst diskret entsorgt. Und zwar ohne jeden öffentlichen Diskurs darüber und ohne die Befassung irgendeines der Organe der demokratischen Willensbildung. Formal ist das natürlich völlig korrekt: die unabhängige und weisungsfreie OeNB kann im EZB-Rat stimmen, wie es ihr beliebt, und dabei hat weder die Regierung noch das Parlament etwas zu sagen.
Und trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack, wenn eine derart gewichtige Entscheidung wie diese mutmaßliche Wende in der geldpolitischen Grundhaltung des Landes hinter einem undurchsichtigen Paravent vollzogen wird. Dass in diesem Land wochenlang über den Wortlaut der Bundeshymne diskutiert wird, über ein paar Ortstafeln oder andere Causen von monumentaler Relevanz, hingegen überhaupt nicht über die Grundsätze unserer Euro-Politik, das stellt der politischen Klasse dieser Republik kein sonderlich vorteilhaftes Zeugnis aus.
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.