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Griechenland- Krise trifft Südosten Europas hart. | Euro-Kredite sollen zurück- gedrängt werden. | EU stützt Region. | Zagreb. "Wenn die Griechen ihre Budgetprobleme rasch in den Griff bekommen, ist die Ansteckungsgefahr beherrschbar", sagte Federico Ghizzoni, Osteuropa-Chef der Bank Austria, auf die Frage, ob weitere Länder Osteuropas die Hilfe von EU und Währungsfonds in Anspruch nehmen könnten.
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Denn die Länder Ost- und Südosteuropas haben ein veritables Kapitalproblem. "Wir sehen derzeit eine Kapitalflucht, die der wirtschaftlichen Erholung hinderlich ist", sagte ein Mitarbeiter der Osteuropabank EBRD am Rande der Tagung.
Insgesamt durchlebt die Region nun eine weitere Herausforderung, ausgelöst durch die Griechenlandkrise. Aus einem Investitionsstrom in Höhe von 383 Milliarden Dollar im Jahr 2007 ist ein Kapitalabfluss von 33 Milliarden im Jahr 2009 geworden.
Dazu kommt, dass - vor allem am Balkan - viele Devisenersparnisse abgezogen werden. Emigranten überweisen jedes Jahr Milliarden an ihre Familien in diesen Ländern, dies ist eine wichtige Stütze des Konsum geworden. Nun lenken die verunsicherten Sparer das Geld in sichere Häfen um, auch nach Österreich. Denn die Töchter der österreichischen Banken stellen in Osteuropa insgesamt die wichtigsten Finanz-Institute. "Was ich am meisten fürchte, ist die Rückkehr der Verunsicherung", sagte auch Raiffeisen International-Chef Herbert Stepic.
Um die osteuropäische Region, deren Länder freilich deutliche Unterschiede aufweisen, nicht in den Strudel der Euro-Krise zu reißen, soll es zwei Maßnahmen geben. Im Rahmen der "Wiener Initiative", die 2009 half, einen Zusammenbruch der Länder zu vermeiden, soll die starke Abhängigkeit vom Euro reduziert werden. In den Ländern wurden in großem Maßstab Eurokredite vergeben. Mit der Krise verloren viele lokale Währungen an Wert, was die Schulden deutlich erhöhte. "Unsere Kreditausfälle schossen in den Himmel", sagte Stepic. Er räumte ein, dass die flächendeckende Vergabe von Eurokrediten in diesen Ländern "einer meiner größten Irrtümer" gewesen ist.
Höhere Zinsen, dafür kein Währungsrisiko
Daher sollen Anleihen lokaler Währungen die Situation entspannen helfen. Wie das geht, soll im Rahmen der Wiener Initiative diskutiert werden. "Ich halte das für absolut wichtig und sinnvoll im Sinne der Stabilität", sagte Finanzminister Josef Pröll in Zagreb. "Die Abwicklung ist eine Frage für die Notenbanken."
Die Unicredit, Mutter der Bank Austria, plant jedenfalls, eine lokale Anleihe zu platzieren. Um welches Land es sich handelt, wollte Ghizzoni noch nicht verraten. Das größte Problem dabei: In vielen osteuropäischen Ländern wurden die Euro-Kredite gerne genommen, weil die Zinsen deutlich niedriger sind. Kredite in Kronen, Kuna, Forint, Dinar wären deutlich teurer. Allerdings ohne Währungsrisiko.
Der zweite Schwerpunkt liegt in der Ausnutzung der EU-Fördergelder. Die werden derzeit - wegen der Budgetknappheit der meisten Länder - nur gering ausgeschöpft. "Das Wachstum in der Region könnte um ein bis sogar zwei Prozentpunkte hinaufgehen, wenn die Fördergelder ausgeschöpft würden", sagte Deborah Revoltella, Chefvolkswirtin der Bank Austria. Dazu gibt es im Moment sogar den Plan, dass andere EU-Institutionen wie eben die Osteuropa-Bank EBRD den benötigten Ko-Finanzierungsteil der Länder vorschießen, damit die EU die Förderungen auszahlen kann. Es geht dabei vor allem um die Umsetzung von Infrastruktur-Maßnahmen.
Dies soll helfen, die exorbitante Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Zwar soll das erwartete Wirtschaftswachstum heuer bei drei Prozent, oder sogar knapp darüber, liegen, die Arbeitslosigkeit ist aber in den vergangenen 24 Monaten von 6,5 Prozent auf zehn Prozent gesprungen. In manchen Ländern wie Albanien liegt sie bei 30 Prozent. "Und das sind die offiziellen Zahlen, die echten sind deutlich höher", sagte ein EBRD-Mitarbeiter zur "Wiener Zeitung". Allerdings gibt es in den Ländern Osteuropas auch einen sehr hohen informellen Sektor, sprich: organisierten Pfusch.
Aus diesen Tätigkeiten wird aber keine Steuer bezahlt, was die Situation der Staaten nicht eben verbessert. "Wir müssen es schaffen, die Sparquote in der Region zu erhöhen", sagte Stepic. "Und dieses Geld sollte nicht in den Konsum investiert werden - die Kroaten etwa sind wirklich ,autonarrisch. Das Geld sollte in gewerbliche Produktionen investiert werden."
Südosteuropa vergeudet derzeit zu viel Energie
Wie das geht? Die Regierungen der Region sollten sich absprechen, um gemeinsame Rahmenbedingungen zu schaffen. In Österreich gab es etwa eine Zeitlang ein sogenanntes Genussschein-Modell, das Spargeld als Kapital für Mittelbetriebe umwandelte.
Der Chef der EBRD, Thomas Mirow, bringt noch einen Aspekt aufs Tapet, wie Osteuropa eine erneute Rezession vermeiden könnte: "Die Verschwendung von Energie bleibt ein Schlüsselbereich. In Südosteuropa wird zweieinhalb Mal mehr Energie eingesetzt, um ein Stück zu produzieren, als im Durchschnitt der Industrieländer." Mirow sprach sich - trotz Euro-Krise - für eine rasche EU-Integration Osteuropas aus. "Aber auch der regionale Handel muss verstärkt werden."
Die EBRD wird jedenfalls Großinvestor in Osteuropa bleiben. Neun Milliarden Euro flossen im Vorjahr in die Region. Damit es nicht weniger werden, bekommt die Bank eine Kapitalspritze von zehn Milliarden Euro. Von wem? Von den EU-Staaten - die sind nämlich deren Eigentümer.
Wissen: OsteuropabankDie 1991 gegründete Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ist international eher unter ihrem englischen Kürzel EBRD geläufig. Im deutschen Sprachraum wird das Institut mit Sitz in London meist "Osteuropabank" oder "Entwicklungsbank" genannt.
Die EBRD wurde nach der Auflösung der Sowjetunion und des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW bzw. Comecon) gegründet, um die ehemaligen Länder des Ostblocks bei ihrem Weg zur Marktwirtschaft zu unterstützen. Dafür sollen der Wettbewerb, Privatisierungen und das Unternehmertum mit Investitionen, Kofinanzierungen und der Stärkung der Finanzinstitute gefördert werden - die EBRD versteht sich dabei als "Katalysator des Wandels". Ihre Aktivitäten erstrecken sich derzeit über 30 Einsatzländer.
Seit ihrer Gründung hat die Bank 47 Milliarden Euro in die Entwicklung der Region investiert. Beim aktuellen Jahrestreffen ist eine Kapitalerhöhung um 50 Prozent auf 30 Milliarden Euro geplant. Damit könnten bis 2015 bis zu 52 Milliarden investiert werden.
Schon im März 2009, am Höhepunkt der Osteuropa-Panik, hatte die EBRD ihren Teil zu einem mit der Weltbank und der Europäischen Investitionsbank (EIB) geschnürten Hilfspaket über 25 Milliarden Euro beigetragen.
EBRD-Eigentümer sind 61 Länder aus aller Welt, die Europäische Kommission und die EIB. Präsident ist seit Juli 2008 der ehemalige deutsche SPD-Politiker Thomas Mirow.