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Osteuropas unsichtbare Helferinnen

Von Christa Salchner

Wissen

Sie arbeiten illegal, wohnen bei der Person, die sie betreuen und sind in der Regel nirgends versichert. Die Nachfrage nach Pflegerinnen aus den neuen EU-Ländern steigt beständig. Der Grund: Heimisches Personal, legal beschäftigt, käme für die meisten, die zuhause einen Pflegefall haben, zu teuer.


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Die Hauskrankenpflege des Roten Kreuzes in Völkermarkt in Kärnten wird immer weniger in Anspruch genommen. Während vor einem Jahr noch 19 medizinische Fachkräfte als Vollzeit- oder Teilzeitmitarbeiter angestellt waren, wird es ab 1. Mai nur noch zwölf dieser Mitarbeiter geben.

Völkermarkt ist kein Einzelfall. Ähnlich wie in Kärnten ist die Situation im südburgenländischen Bezirk Oberwart, wo sich der Personalstand des Roten Kreuzes ab 2000 zu reduzieren begann, bis der Stützpunkt aufgrund des massiven Klientenrückgangs im April 2003 ganz aufgelassen wurde. Die Klienten sind aber nicht weniger geworden, sie wechseln vielmehr die Anbieter und greifen verstärkt auf Pflegepersonal aus Osteuropa zurück.

24 Stunden im Einsatz

Obwohl also der Bedarf für Hauskrankenpflege in Österreich steigt, leiden heimische Anbieter von Pflegeleistungen wie das Rote Kreuz zunehmend unter dem Wettbewerb mit tschechischen, slowakischen oder ungarischen Pflegerinnen. Sie bieten ihre Leistungen rund um die Uhr und billiger an - die Kosten liegen zwischen 500 und 1.500 Euro im Monat. Sie arbeiten illegal, wohnen bei der Person, die sie betreuen, sind in der Regel nirgends versichert und werden von Institutionen wie der "Südböhmischen Volkshilfe" vermittelt.

Die Südböhmische Volkshilfe präsentiert sich im Internet als Stiftung mit ehrenamtlichen und karitativen Mitarbeitern, was im Klartext Folgendes heißt und im Internet nachzulesen ist: "Unsere Stiftungshelfer unterliegen keinem Arbeitsverhältnis und sind nur zum Hilfszwecke bei der jeweiligen Gastgeberfamilie (nach deren Ansuchen und Einladung) im Einsatz."

Institutionen wie die Südböhmische Volkshilfe gibt es viele und Schätzungen zufolge vermitteln sie allein in Österreich jährlich 30.000 Pflegekräfte. Sie sind in Grenzregionen angesiedelt, existieren seit etwa fünfzehn Jahren und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause durch österreichische Pflegekräfte wäre nicht finanzierbar. Als einzige "legale" Alternative gilt die Unterbringung im Heim, was oft weder die Pflegebedürftigen noch deren Angehörige wollen.

"Modernes Sklaventum"

Christine Ecker, die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Pflegeverbands, kennt die Problematik und zeigt sich aus zwei Gründen wenig über diese Entwicklung erfreut. Zum einen würden die Pflegekräfte aus dem Osten ausgebeutet: "Im Grunde handelt es sich um ein modernes Sklaventum." Zum anderen bemängelt sie aber auch die Qualifikationen der Betreuerinnen. "Die Pflege geht bis zur Betreuung von Intensivpatienten mit Beatmungsgeräten zuhause." Das ginge zu weit.

Auch Monika Wild, die Leiterin des Bereichs Gesundheits- und Soziale Dienste vom Roten Kreuz, spricht angesichts der Versorgung rund um die Uhr von schierer Ausbeutung. Sie bemängelt, dass die Problematik zwar als allgemein bekannt gelte, dass aber im Gegensatz zu Deutschland nicht darauf reagiert werden würde.

Vorbild Deutschland

In Deutschland war die Situation bis vor kurzem ähnlich. Im Gegensatz zu Österreich hat die Politik aber ein Zeichen Richtung Legalisierung gesetzt. Die Beschäftigung osteuropäischer Hilfskräfte ist seit Anfang dieses Jahres gesetzlich geregelt und erlaubt diese Beschäftigung, wenn es sich um Haushaltshilfen handelt. Haushaltshilfen dürfen bei der Körperpflege, der Ernährung oder beim Treppensteigen behilflich sein. Pflege ist aber ausdrücklich verboten und darunter werden alle Tätigkeiten verstanden, für die medizinische Vorkenntnisse erforderlich sind - also auch das Verabreichen von Medikamenten oder ein Verbandswechsel. Weiters wurden tarifliche Löhne sowie die Abgaben zur Sozialversicherung fest gelegt, was den osteuropäischen Haushaltshilfen einen Versicherungsschutz bietet.

Handlungsbedarf sieht auch Rudolf Kaske. Er ist Vorsitzender der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst und als solcher verantwortlich für Essen auf Rädern, soziale Dienste und Heimhelferinnen. Er meint: "Über kurz oder lang wird uns eine Diskussion darüber nicht erspart bleiben. In zehn bis fünfzehn Jahren werden die Lohnunterschiede zwischen Österreich und der Slowakei, Ungarn oder Tschechien nicht mehr so groß sein, was zur Folge haben wird, dass die Kräfte aus Osteuropa nicht mehr in dem Ausmaß zur Verfügung stehen werden." Außerdem wird auch die demographische Entwicklung eine Diskussion erfordern. Momentan gibt es in Österreich etwa 300.000 Menschen, die achtzig Jahre und älter sind. Im Jahr 2050 wird diese Gruppe die Millionengrenze erreichen.