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OSZE erleichtert: Russland ist wieder an Bord

Von Peter Bochskanl/Istanbul

Politik

"Russland ist wieder an Bord", war der erleichterte Kommentar am Ende des OSZE-Gipfels in Istanbul. Nach einem durch die Medien zur Gefahr des Scheiterns hochgesteigerten russischen Theaterdonner | wurden KSE-Vertrag und Europäische Sicherheitscharta beschlossen und die Schlusserklärung mit einer Tschetschenien-Passage von allen, auch vom russischen Außenminister Igar Iwanow, unterzeichnet. | Österreichs Vertreter beim Gipfel, Bundespräsident Thomas Klestil und Außenminister Wolfgang Schüssel, zogen eine positive Bilanz.


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Bei der dramatisierten Abreise von Russlands Präsident Boris Jelzin stellte sich heraus, dass sie nur eine Stunde vorgezogen worden war. Außerdem habe am Mittagessen der Spitzen vor seiner Abreise

ein durchaus präsenter und freundlicher Jelzin teilgenommen, berichteten Teilnehmer. Und für die Meldung, Jelzin sei bei der Tschetschenien-Kritik von US-Präsident Clinton im Plenum wütendes

"Hundesohn" oder gar "Hurensohn" entschlüpft, war keine Bestätigung mehr zu finden.

Vor österreichischen Journalisten hob Klestil die große Bedeutung der Unterzeichnung der Sicherheitscharta hervor, weil dadurch die USA, Russland und Europa ihre durch den Kosovo-Konflikt

unterbrochene Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich wieder aufnehmen.

Zur Tschetschenien-Passage des Schlussdokuments betonte er, humanitäre Hilfe werde von den Russen nicht mehr als Einmischung betrachtet, es werde anerkannt, dass die Hilfe der OSZE zu einer

politischen Lösung beitragen würde, und die Bereitschaft der OSZE begrüßt, bei der Erneuerung eines politischen Dialogs zu helfen.

Klestil und Schüssel betonten den hohen Wert der Einzelgespräche außerhalb des Plenums. "Jeder hat mit jedem geredet und es wurde alles gesagt · und das ein halbes Jahr nach dem Ende der Kosovo-Krise

und während des Tschetschenien-Kriegs", betonte Schüssel. Er unterstrich, dass die OSZE im Kaukasus-Konflikt "äußerst behutsam" vorgehen müsse.

Clinton nach Österreich?

Der Bundespräsident berichtete aus seinem Gespräch mit Clinton, er habe den US-Präsidenten darauf aufmerksam gemacht, dass dieser schon viele der Nachbarländer Österreich besucht habe, aber noch

nicht in Wien gewesen sei. Clinton habe ihm zugesagt, daß er noch während seiner Amtszeit nach Österreich kommen werde.

Klestil traf Freitag auch mit UN-Generalsekretär Kofi Annan und mit dem türkischen Staatspräsidenten Süleyman Demirel zusammen. Dieser bedankte sich nicht nur für Österreichs Erdbebenhilfe, sondern

auch für die Unterstützung der Europa-Perspektive der Türkei. In diplomatischen Kreisen wird es möglich erachtet, dass die Türkei beim nächsten EU-Gipfel den Status eines Aufnahmekandidaten erhält.

Wie dünn das Eis des Tschetschenien-Kompromisses in der OSZE-Schlusserklärung ist und welch schwierigen Aufgaben auf Österreich als OSZE-Vorsitzendem im nächsten Jahr zukommen, zeigte sich bereits

nach wenigen Stunden: Die Russen setzten ihre Angriffe in der Kaukasus-Republik unvermindert fort, und Außenminister Iwanow sagte im russischen Fernsehen, "wir haben keine Vermittlungsbemühungen

akzeptiert und beabsichtigen auch nicht, dies zu tun". US- Präsident Clinton erklärte, er werde den KSE-Vertrag erst dann dem US-Senat zur Ratifizierung vorlegen, wenn Russland seine Truppen im

Nordkaukasus auf das Maß des Vertrages reduziere, das es derzeit mit seinem Tschetschenien-Einsatz um 60 Prozent überschreite.