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Ottakringer Mädchenwelt

Von Stephanie Schüller

Politik
In der Hasnerstraße müssen Burschen draußen bleiben , damit Mädchen einmal untereinander abschalten können, ob beim Diskutieren, Tischfußball oder Basteln.
© Ruiz-Cruz

Untereinander tauschen sich Mädchen über Schule, Familie und Burschen aus.


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Wien. "Die nerven eben in der Schule. Und wenn wir hierherkommen, dann nerven sie nicht mehr", sagt Tugba über ihre männlichen Altersgenossen. Die 13-Jährige hat es sich auf einer Couch neben ihren Freundinnen Mileva und Manuela bequem gemacht. Sie verbringen diesen Nachmittag gemeinsam im "peppa", einem interkulturellen Mädchencafé in der Hasnerstraße 61 in Ottakring.

Um 16.30 Uhr herrscht hier buntes Treiben, seit eineinhalb Stunden ist peppa an diesem Tag geöffnet. Ein paar der Besucherinnen sitzen gemeinsam an einem Tisch in der Mitte des Aufenthaltsraumes, essen und machen Musik am Laptop. Rechts daneben gibt es eine Bar, auf der linken Seite des Raumes steht ein Tischfußballtisch. Im nächsten Raum befinden sich noch mehr Sitzmöglichkeiten vor einem Fernseher, sogar eine Schminkecke gibt es. "Hier schauen wir gemeinsam Filme", erklärt die 16-jährige Manuela. Aus der Gemeinschaftsküche dringt der Duft von frisch gebackenen Keksen. Ein paar andere Mädchen haben sich im Workshop-Raum eingefunden. Sie sitzen gemeinsam auf einer Couch, tratschen, kichern.

Die 12-jährige Mileva und Tugba erklären begeistert, dass das ihr Lieblingsplatz im peppa ist. Die beiden Mädchen gehen in dieselbe Klasse, heute sind sie eigentlich nicht zum Spielen hier. Sie wollen gemeinsam für die Schularbeit am nächsten Tag lernen. "Zuhause kann man nicht so gut lernen, wenn jeder irgendetwas anderes macht und stört. Hier hat man einen Lernhilferaum. Man kann gemeinsam lernen", erklärt Tugba. Im erwähnten Lernhilferaum beugen einige Mädchen ihre Köpfe bereits tief über ihre Schulbücher. Zwei peppa-Mitarbeiterinnen kontrollieren die Hausübungen auf Fehler und helfen beim Lernen. Regelmäßig geht die Tür auf. Neue Mädchen kommen dazu.

Die meisten von ihnen sind aus Ottakring und den umliegenden Bezirken. "Es gibt ungefähr 25 Stammmädchen", erklärt Betreuerin Tanja Eckhardt. "Die nehmen dann aber immer noch Freundinnen mit, da kommen schon einmal 40 Mädchen zusammen", sagt sie. Im peppa finden Mädchen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen zueinander, die mehrsprachige Bibliothek bietet Lesestoff für die verschiedensten Interessen. Das Angebot richtet sich an Mädchen im Alter von zehn bis 20 Jahren, die meisten seien aber ungefähr 14 Jahre alt, schätzen die Betreuerinnen.

Was Eltern nicht immer verstehen

"Mehrsprachigkeit und ein multikultureller Hintergrund sind Schwerpunkte im Mädchencafé. Die Arbeitssprache ist aber Deutsch, damit wir uns alle verständigen können", erklärt Eckhardt. Untereinander sprechen die Mädchen aber auch manchmal in ihrer Muttersprache: "Oft sprechen die türkischsprachigen Mädchen Türkisch untereinander. Ich spreche mit meinen Freundinnen manchmal Serbisch oder Deutsch", erklärt Laura. Die 11-Jährige bezeichnet sich selbst als "Spezialgast". "Ich bin mit sechs Jahren das erste Mal hierhergekommen. Obwohl es eigentlich erst ab zehn Jahren ist", erzählt das aufgeweckte Mädchen mit den braunen Haaren. Sie komme zum Lernen hierher, oft auch zum Spielen. "Wenn mir zu Hause nach der Hausübung langweilig ist", erzählt Laura. Neben der Hilfe im Schulalltag können sich die Mädchen auch individuell bei der Mädchenberatung "peppamint" oder gemeinsam mit ihren Eltern in Problemsituationen beraten lassen.

"Wie ist das, wenn man jemanden kennenlernt? Wie ist das mit den Eltern, darf man fortgehen oder nicht?", erzählt Eckhardt über die häufigsten Fragen, die die Mädchen in diesen Situationen stellen. Auch bei Familienstreitigkeiten finden die Mädchen im peppa jemanden, der ihnen zuhört. Manuela bespricht mit den Betreuerinnen auch Themen, über die sie mit ihren Eltern nicht reden würde: "Ich frage, was besser für mich ist, wenn ich mich zum Beispiel mit einem Jungen treffe", erzählt sie.

"Ich bin hergekommen, weil ich keine Freunde hatte, um hier Freunde zu finden. In der Schule ist das schwierig, weil ich so still bin", sagt Mileva. Die Mädchen kommen aus den unterschiedlichsten Gründen ins peppa. Denn auf eines können sie hier alle vertrauen: Sie sind unter sich.

Dass Burschen keinen Zutritt haben, habe laut Eckhardt mit feministischer Grundlagenarbeit zu tun: "Damit Mädchen Räumlichkeiten haben, um ihr Potenzial auszuschöpfen. Um zu lernen und sich gegenseitig auszutauschen, ohne einen Leistungsdruck im Hintergrund zu haben. Die öffentlichen Räume sind sowieso vorrangig von Burschen belegt. Die Mädchen haben im öffentlichen Raum keine Rückzugsmöglichkeiten und nutzen ihn auch anders als Burschen." Es gäbe aber auch Eltern, die den Mädchen erlauben, ins peppa zu gehen, gerade weil sie wissen, dass dort keine Burschen sind, erklärt Leiterin Miriam Lehner. Auch die Mädchen schätzen diesen Freiraum: "Wir können über alles reden. Nur unter Mädchen ist das etwas anderes", erklärt Manuela.

Alternative: Gymnasium und Studium

Finanziell ist die Einrichtung auf Kooperationspartner und Spenden angewiesen. "Wir versuchen ununterbrochen, Geld aufzustellen. Den Rest übernimmt die Caritas", erklärt Lehner. Gezielte Promotion und Mundpropaganda verstärken den Bekanntheitsgrad des Projektes.

Viel hat das Beratungszentrum in puncto Jugend- und Integrationsarbeit geleistet, befindet Lehner, vor allem im Aufzeigen der Möglichkeiten am Arbeitsmarkt: "Die Auseinandersetzung mit den Betreuerinnen und den anderen Mädchen trägt dazu bei, dass sie andere Alternativen kennenlernen. Dass sich die Mädchen beispielsweise überlegen, in ein Gymnasium zu gehen, obwohl das ihre Eltern vielleicht nicht angedacht hätten. Das sind ganz banale Dinge, um in der Schule weiterzukommen und dann vielleicht einen Beruf zu ergreifen, der sonst nicht möglich gewesen wäre."

peppa.at