Dass es Europa nicht und nicht gelingt, die Massenmigration aus Afrika wirksam zu bremsen, ist ein politisches Mega-Ärgernis.
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Das deutsche Innenministerium hat jüngst einen bemerkenswerten Vorschlag zur Linderung der Migrationskrise skizziert: Migranten, die vor der afrikanischen Küste aufgegriffen werden, sollen künftig nicht mehr wie bisher auf EU-Territorium verbracht werden, sondern in noch zu errichtenden Lagern in Tunesien, wo sie in Sicherheit sind und menschenwürdig behandelt werden können, temporär Unterkunft finden, ohne Schengenland zu betreten. Von diesen Lagern aus könnten die Menschen dann einen ordnungsgemäßen Antrag auf Asyl in Deutschland, Österreich oder sonst wo stellen. Würde der Antrag angenommen, stünde einer legalen Einreise in die EU nichts mehr im Wege, andernfalls seien sie in ihre Herkunftsländer abzuschieben.
Ganz Ähnliches hatte ja schon vor ein paar Monaten Kanzler Christian Kern, nicht eben zur Freude aller in seiner Partei, durchaus mit Recht gefordert. Auf offenem Meer gerettete Flüchtlinge, meinte er in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" im August, sollten künftig sofort zurückgebracht werden. "Die Flüchtlinge sollten in sichere Herkunftsländer (. . .) das ist vielleicht nicht immer leicht, aber vertretbar."
Das einzige Problem dabei: So vernünftig solche Vorschläge sind, so wenig ist zu erwarten, dass sie so zeitnah und konsequent verwirklicht werden, wie das mittlerweile notwendig geworden ist. Schon die Ankündigung des deutschen Innenministeriums vom Herbst, man werde dieses Vorhaben zunächst "mit den italienischen Behörden und der EU erörtern", deutet nicht wirklich auf übertrieben Hektik hin, mit der da gewerkt wird. Ganz nach dem erprobten politischen Motto, wonach nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.
Das ist umso betrüblicher, als die real existierende Migrationspolitik der EU (oder derer Mitgliedstaaten) das exakte Gegenteil von dem ist, was der deutsche Innenminister oder der österreichische Kanzler vorgeschlagen haben. "Deutsche Fregatten und andere Schiffe der EU-Rettungsmission ‚Sophia‘ kreuzen so dicht vor der libyschen Küste, dass die Menschenhändler nur noch wenig für Boote und Sprit ausgeben müssen", berichtete der "Spiegel". "Ein maroder Kahn, ein paar Liter Diesel und ein Satellitentelefon für den Notruf genügen (. . .) Schlepper und schwer bewaffnete Milizen arbeiten Hand in Hand. Die Milizen brauchen Geld und die Menschenhändler Schutz. Eine für beide gewinnversprechende Konstellation."
All das geschieht mit Duldung der EU unter dem Etikett "Seenotrettung als humanitäre Politik". So spottete ein libyscher Offizier: "Die Schlepper benutzen euch inzwischen wie ein Taxiunternehmen, das die Kundschaft sicher und kostenlos kurz vor der libyschen Küste abholt." Und der deutsch-syrische Publizist Bassam Tibi empörte sich: "Dies nennen die EU-Politiker ‚Schutz der Grenzen Europas‘ und verdummen so die eigene Bevölkerung. In Wahrheit wird die deutsche Willkommenskultur von Schleuserbanden und Islamisten instrumentalisiert."
Dass sich daran in näherer Zukunft etwas fundamental ändert, ist nicht absehbar - weshalb auch die vernünftigen Vorschläge aus Berlin und Wien zu Schutzzonen für Migranten in Afrika vorerst kaum mehr als nette Ankündigungen bar jeder Konsequenz sein dürften. Leider.