Zum Hauptinhalt springen

ÖVP-Arbeitnehmer verlassen Parteilinie

Von WZ Online

Politik

VP-Generalsekretär Kaltenegger erteilt Abfuhr. | SPÖ für Verhandlungen. | Wien. Der ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB hat dafür gesorgt, dass die Debatte um die Mindestsicherung weiter anhält. Dessen Generalsekretärin Beatrix Karl brach am Sonntag mit der Parteilinie und kritisierte die - von der Regierung bereits ausgemachte - gekürzte Variante.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Hoffnung machte dieser Vorstoß wiederum SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter, der nun weitere Gespräche starten will. ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger würgte die Debatte allerdings noch am Sonntag ab.

Karl plädierte im einem Interview mit der APA dafür, die Mindestsicherung wie ursprünglich geplant mit 14 Monatsraten auszuzahlen. Dass die 733 Euro als "soziale Hängematte" - wie es Parteichef Josef Pröll bezeichnet hatte - interpretiert werden könnte, glaubt sich nicht. "So hoch ist die Summe auch nicht." Karl gab zu, dass die Kürzung der Mindestsicherung auf zwölf Monatsraten für sie "überraschend" gekommen sei. Sie hofft noch auf eine Nachbesserung.

Aufregung lösten Karls Aussagen in der SPÖ aus. Deren Bundesgeschäftsführer meldete sich zu Wort, um "sofortige konkrete Verhandlungen" anzubieten. Schon in der kommenden Woche könnten die "Nachbesserungen" der monatlichen Mindestsicherung politisch außer Streit gestellt werden. Zudem forderte Kräuter eine Informationskampagne der Bundesregierung, um einerseits die Anspruchsberechtigten zu informieren, andererseits um jeglichen Anschein einer "Lizenz zum Nichtstun" auf Kosten der Allgemeinheit zu zerstreuen.

Kaltenegger stoppte schließlich die Debatte. Via Aussendung ließ der schwarze Generalsekretär Kaltenegger wissen, dass der Beschluss "von der Regierung gemeinsam gefasst worden" sei und daher auch gemeinsam getragen werde. Für die ÖVP sei "oberste Priorität, die Menschen in Beschäftigung zu halten". Deshalb dürfe auch kein finanzieller Anreiz geschaffen werden, Arbeitszeiten zu reduzieren oder aktive Arbeit gänzlich aufzugeben, so Kaltenegger, der den ÖAAB mit keinem Wort erwähnte.

Koalitionsdisziplin bewies auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (S), der die Kürzung der Mindestsicherung verteidigte. Schon bei zwölfmal 733 Euro würden 75 Prozent aller Notstands- oder Sozialhilfebezieher mehr bekommen als derzeit. Der Kreis der Bezieher würde sich so erweitern. Hundstorfer wäre es zwar "auch lieber, die Mindestsicherung würde 14 Mal ausbezahlt". Die Frage sei aber: "Erreicht man nur zwölf Mal - oder gar keinen Beschluss?"

Auch die Opposition mischte sich in die Debatte um die Mindestsicherung ein. BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner sprach von einem "absurden Streit auf dem Rücken der Betroffenen" und forderte die anderen Bundesländer auf, das "Kärntner Modell" der Mindestsicherung zu übernehmen. Die Grünen nannten die ÖAAB-Kritik einen "brauchbaren Vorstoß der Vernunft", dieser solle in der ÖVP nicht abgewürgt werden.

ÖAAB will Reformen bei Lehrern und der Invaliditätspension

Ebenfalls für Herbst geplant ist die Reform der Invaliditätspension, also der Frühpension wegen Arbeitsunfähigkeit. Hier will Karl einerseits sicherstellen, dass nur tatsächlich arbeitsunfähige Menschen in Pension gehen. Andererseits will sie aber die Situation der ungelernten (Hilfs)arbeiter verbessern. Arbeitsunfähige Hilfsarbeiter haben derzeit kaum Chancen auf Invaliditätspension, weil sie auf jeden anderen theoretisch denkbaren Beruf verwiesen werden können.

In der Praxis bedeute das, dass invaliden Hilfsarbeitern häufig gesagt werde, sie könnten ja auch als Portier arbeiten - auch wenn es keinerlei freie Arbeitsplätze gebe, kritisiert Karl. Das sei kein "menschenwürdiger Umgang" mit den Betroffenen und außerdem eine bloße "Risikoverschiebung von der Pensions- in die Arbeitslosenversicherung". Daher strebt Karl auch für Hilfsarbeiter und Facharbeiter (sie können derzeit nur auf verwandte Berufe verwiesen werden) eine Regelung ähnlich wie bei den Angestellten an (sie haben eine Art Einkommensschutz).

Karl plädiert auch für ein bundesweit einheitliches Dienstrecht für alle Lehrer, für eine einheitliche Lehrerausbildung an den Universitäten und für mehr Ganztagsschulen. Details will der ÖAAB im Rahmen eines neuen Bildungskonzepts erarbeiten, an dem übrigens auch ihr Amtsvorgänger Werner Amon mitwirken soll. Noch nicht festlegen will sich Karl, was die ÖVP-intern umstrittene Gesamtschule angeht. Sie selbst gilt als Befürworterin des Modells, will nun aber die Evaluierungsberichte über die ersten Schulversuche abwarten.

Deshalb legt sich die neue ÖAAB-Generalsekretärin vorerst in Sachen Gesamtschule nicht fest. Ihr sei vor allem die "innere Differenzierung" an den Schulen wichtig, betont Karl - also die Möglichkeit, Talente zu fördern und auf schwache Schüler gesondert einzugehen. Ob das an einer Hauptschule, einem Gymnasium oder einer Gesamtschule passiere, sei nicht entscheidend: "Wenn eine Gesamtschule nur darin besteht, dass man die Schüler zusammenwürfelt, dann ist das eine schlechte Gesamtschule, aber wenn Differenzierung gelebt und wirklich umgesetzt wird, dann ist das eine gute Gesamtschule."

Um Berufstätigen die Weiterbildung zu erleichtern, will Karl außerdem das vom ÖAAB vorgeschlagene "Zeitwertkonto" wieder aufs Tapet bringen. Dort könnten Arbeitnehmer ihre Überstundenzuschläge einige Jahre lang sammeln, um sie nach einer bestimmten Zeit als Freizeit zu konsumieren (also u.a. für Weiterbildung). Der Job fürs Leben werde "immer seltener werden", argumentiert Karl. Hier müsse man für "möglichst fließende Übergänge" zwischen den einzelnen Jobs sorgen.