Die Regierungsvorlage wurde nicht wie geplant im Plenum eingebracht. Die Frage, ob Ärzte künftig Ärzte anstellen dürfen, blieb ungeklärt.
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Wien. Fast drei Jahre lang wurde es vorbereitet, verhandelt, von den Ärzten bestreikt und wieder verhandelt. Am Mittwoch sollte das Gesetz zu den Primärversorgungseinheiten (Primary-Health-Care-Gesetz) endlich als Regierungsvorlage im Plenum eingebracht werden. Wurde es aber nicht. "Eine Stunde vorher hatten die Gesundheitssprecher von SPÖ und ÖVP noch betont, dass alles unter Dach und Fach ist", sagt die grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein zur "Wiener Zeitung". Tatsächlich war man sich aber offenbar noch immer nicht einig.
"Herr ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka hat seine Unterschrift verweigert", präzisiert Erwin Spindelberger, Gesundheitssprecher der SPÖ, "weil er angeblich noch am Freitag einen Gesprächstermin mit Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger hat." Vor allem die Frage, ob Ärzte künftig Ärzte in den Primärversorgungseinheiten anstellen dürfen, müsse noch geklärt werden. "Aus unserer Sicht ist das skandalös", sagt dazu Mückstein, die Taktik dahinter vermutet. "Vom Hörensagen" heiße es, dass ÖVP-Parteiobmann Sebastian Kurz interveniert habe. Es spieße sich beim Primary-Health-Care-Gesetz offenbar mit den Ärzten.
"Alle sind um eine Kompromisslösung bemüht"
Noch im April hatte die Kammer, die intensiv in die Diskussionen zu den Primärversorgungszentren eingebunden war, positiv auf den Begutachtungsentwurf reagiert. Zahlreiche Vorschläge der Ärzte waren berücksichtigt worden. So soll es nun keine Primärversorgungseinheit (PVE) außerhalb von Gesamtverträgen geben, um zu verhindern, dass sich jede PVE ihren Vertrag mit der Kasse selbst ausmachen muss. Die grundsätzliche Idee der PVE ist, dass ein Team aus Ärzten, Pflegekräften und anderen Gesundheitsberufen zu patientenfreundlichen Öffnungszeiten intensiv zusammenarbeitet.
Noch in der Vorwoche hat es laut Spindelberger drei Verhandlungsrunden und diese Woche eine Runde gegeben, bei denen jedes Mal auch Vertreter der Ärztekammer und des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger anwesend waren. Grundsätzlich seien alle um eine Kompromisslösung bemüht, das Hauptproblem scheint jedoch der noch offene Punkt zu sein, ob Ärzte in den Primärversorgungszentren Ärzte anstellen dürfen oder nicht.
Derzeit ist das laut Gruppenpraxengesetz nämlich nicht der Fall. Die Anstellung eines Arztes durch einen niedergelassenen Kassenarzt ist demnach nicht zugelassen. Geht es nach SPÖ und den Grünen, soll dies im Zuge des Primary-Health-Care-Gesetzes möglich werden. Denn es dürfe nicht zur Privatisierung des Gesundheitssystems kommen, heißt es etwa von den Grünen, indem privatwirtschaftliche Interessen Einzug halten. Die ÖVP ist gegen die Anstellung von Ärzten durch Ärzte. Und die FPÖ ist überhaupt gegen PVE.
Und die Ärzte selbst? Die sind freilich dafür. "Wir glauben, dass es für eine Primärversorgungseinheit unabdingbar ist, dass Ärzte Ärzte anstellen dürfen", sagt Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger zur "Wiener Zeitung". Das Problem dabei sei jedoch, dass Krankenanstalten in den Kompetenzbereich der Länder fallen, für das Gesundheitswesen jedoch der Bund zuständig ist. Es sei eine Frage der Kostenstelle, sagt Wechselberger, und damit der Abgrenzung, ab welcher Zahl angestellter Ärzte der Bund seine Kompetenzen überschreite und die Länder zuständig seien. Dieses Problem sei aber lösbar, zum Beispiel mit einer Verfassungsbestimmung, die die Kompetenzbereiche für Primärversorgungseinheiten und Krankenanstalten klar definiert, schlägt der Ärztekammer-Präsident vor. Ein weiteres Problem sei freilich auch die Zahl der Kassenstellen, die sich erhöht, wenn die Ärzte selbst Ärzte anstellen, und die mit Kosten für die Sozialversicherungen verbunden ist.
Dass die Kammer in sämtliche Gespräche zum Gesetzesentwurf eingebunden war und diesem ursprünglich auch zugestimmt hat, stimme zwar, so Wechselberger - man sei aber davon ausgegangen, dass denen im Zuge der Begutachtung eingebrachten Wünschen noch Rechnung getragen werde. Das sei nicht passiert. Von einem Gesprächstermin mit der ÖVP am Freitag wisse Wechselberger nichts, wie er sagt. Im Moment gebe es kein Gesprächsangebot.
Nächster Versuch in Sondersitzung am 19. Juni
Dass sich die ÖVP bei der Anstellung von Ärzten durch Ärzte noch immer querlegt, führen böse Zungen auf rein wirtschaftliche Interessen hinsichtlich Kammerbeiträgen zurück: Privatunternehmer zahlen einen Wirtschaftskammer-Beitrag, Ärzte an die Ärztekammer. Laut ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger liegt das Problem jedoch woanders, nämlich im Detail. So werde zum Beispiel befürchtet, dass angestellte Ärzte unter jene Regelung der Spitalsärzte fallen, wonach deren Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten darf. Zudem könnte durch eine Anstellungsmöglichkeit die Vertretungsregelung zunichtegemacht werden.
Obwohl die Zeit knapp wird, geht das Gesundheitsministerium dennoch davon aus, dass es vor den Nationalratswahlen im Oktober zu einer Lösung kommt, wie es auf Nachfrage heißt. SPÖ-Gesundheitssprecher Spindelberger zufolge habe man bereits einen Weg dorthin gefunden. Im Zuge der Sondersitzung am 19. Juni zur Bildungsreform will man einen Initiativantrag zum Primary-Health-Care-Gesetz einbringen, der in den auf 21. Juni verschobenen Gesundheitsausschuss kommen kann. Das Gesetz könnte somit rechtzeitig vor den Wahlen im nächsten Plenum am 28. und 29. Juni beschlossen werden. Könnte.