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ÖVP-Chef Kurz ist gegen Macrons EU-Pläne

Von Reinhard Göweil

Politik

"Keine Schulden-Union" - EU soll "nur große Themen" behandeln.


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Wien. Die europapolitischen Positionen der neuen ÖVP sind dem Thema "Ordnung und Sicherheit" zugeteilt, das kommende Woche offiziell vorgestellt wird. In einem Hintergrundgespräch hat deren Obmann Sebastian Kurz diese skizziert - und es geht dabei tatsächlich viel um Sicherheit. "Ein gemeinsamer Außengrenzschutz, gemeinsame Verteidigungs-Anstrengungen und die Freihandelsabkommen", das sollen die Schwerpunkte einer EU nach seinem Zuschnitt sein. Sozial-, Gesundheits-, Gesellschafts- und Familienpolitik solle in nationalen Händen bleiben. "Wir brauchen mehr Subsidiarität, das sieht die EU eigentlich vor, wurde aber nie gelebt", sagte der Außenminister.

Die Verantwortung dafür liege bei den Nationalstaaten, die der EU einfach immer mehr Aufgaben überlassen hätten. Sollte er Kanzler werden, werde er daher zum EU-Ratsvorsitz Österreichs im zweiten Halbjahr 2018 einen "Subsidiaritäts-Pakt" vorschlagen, den dann 27 EU-Länder unterzeichnen sollen. Denn in die österreichische EU-Präsidentschaft fällt auch der Brexit, Kurz erwartet hier einiges an Arbeit. "Vieles wird bei den Austrittsverhandlungen mit den Briten wohl erst ganz am Schluss beschlussreif werden." Er stellt sich eine ähnliche Regelung wie mit der Schweiz vor. Die übernimmt ja Regeln der EU, zahlt auch ins EU-Budget ein und nimmt dafür in weiten Teilen am EU-Binnenmarkt teil.

Von den Plänen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur EU-Reform hält er nichts. Macron will einen europäischen Finanzminister, ein eigenverantwortliches Budget für die Eurozone und teilweise auch eine gemeinsame Schuldenverwaltung der Euro-Länder. Es wird erwartet, dass Frankreich nach der Wahl in Deutschland am kommenden Sonntag darüber Verhandlungen aufnimmt.

Brexit solle keine Belastungfür Nettozahler bringen

Kurz: "Ich halte nichts von einer Schulden-Union und auch nichts von einer Sozial-Union." Für ihn sind die Unterschiede der Länder zu groß. "Länder wie Griechenland müssen sich an die Regeln halten, wie überhaupt die Regeln stärker eingehalten werden müssen. Und die Lohnunterschiede in den Mitgliedsländern sind auch zu groß."

Bei der Niederlassungsfreiheit plädiert Kurz für eine fünfjährige Wartefrist beim Zugang zum Sozialsystem, sprich: Mindestsicherung. "Es kann ja nicht sein, dass sich Menschen jeweils das beste Sozialsystem aussuchen."

Beim nächsten Finanzrahmen, dessen Verhandlungen auch während der österreichischen EU-Präsidentschaft 2018 beginnen, will Kurz den Wegfall der britischen Zahlungen weitgehend einsparen. "Der EU-Austritt der Briten wird deren Zahlungen in Höhe von 14 Milliarden Euro wegfallen lassen. Nettozahler dürfen dadurch nicht belastet werden." Zu diesen Nettozahlern zählt auch Österreich.

Der amtierende Außenminister will aber auch die bestehenden Strukturprogramme der EU, mit denen der Aufholprozess wirtschaftlich rückständigerer Länder unterstützt wird, unter die Lupe nehmen. "Da wird viel Geld ausgegeben, ohne dass sich die Lebenssituation in manchen Ländern tatsächlich wie geplant verbessert hat." Und er will auch die zwei Standorte des Europäischen Parlaments (Brüssel und Straßburg) auf einen konzentrieren, sowie im europäischen öffentlichen Dienst Einsparungen vornehmen.

Dafür will Kurz den Ländern des Westbalkan - das trifft vor allem Serbien als größtes Land der Region - eine klare Beitritts-Perspektive geben. Wie er bereits mehrfach erklärt hat, ist er aber gegen einen EU-Beitritt der Türkei.

Bei Polen und Ungarn steht Kurz zwar hinter den geplanten Maßnahmen der EU-Kommission, um die Rechtsstaatlichkeit in beiden Ländern zu gewährleisten, aber auch gegen "Gruppenbildung innerhalb der EU-Mitglieder. Spannungen mit den osteuropäischen Ländern tun gerade Österreich nicht gut."

In der Verteidigungspolitik ist die neue Linie der ÖVP, dass es eine "vertiefte Zusammenarbeit" geben solle. Ob dies gleich eine gemeinsame EU-Armee bedeuten müsse, sei nicht gesagt, man könne auch mit einem gemeinsamen Einkauf von militärischen Systemen beginnen.

Kurz unterstützt prinzipiell den Vorschlag Russlands, zur Befriedung des Ukraine-Konfliktes eine "Blauhelm-Mission" zu starten, also eine Mission der Vereinten Nationen. "Österreich sollte sich daran beteiligen." Immerhin räumt Kurz ein, dass es dabei noch schwierige Verhandlungen mit Russland geben werde, etwa beim Thema Operationsgebiet der Blauhelme.

"Österreich reiht sich in Visegrad-Gruppe ein"

EU-Experten bezeichnen die Kurz-Pläne als "ernüchternd". Sie wollten sich - von der "Wiener Zeitung" befragt - dazu nicht öffentlich äußern, da die schriftlichen Papiere noch nicht vorliegen und die Aussagen von Kurz nur mündlich erfolgten. "Man muss schauen, wie das dann genau formuliert ist", sagte ein hochrangiger Diplomat in Brüssel. Dort wird genau registriert, was der ÖVP-Obmann vorhat. Da er in den Umfragen vor der Wahl führt, könnte er im Fall eines Wahlsiegs als Regierungschef in EU-Angelegenheiten eine wichtigere Rolle einnehmen als derzeit als Außenminister.

"Wenn das in diese Richtung geht, reiht sich Österreich in die Visegrad-Gruppe ein, die eine Vertiefung der EU weitgehend ablehnt und etwa in der Flüchtlingsfrage wenig solidarisch agiert", sagte ein anderer. Die Visegrad-Gruppe besteht aus Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei.

Auch die Kurz-ÖVP will - wie die meisten anderen Parteien auch - die Zuwanderung nach Europa radikal reduzieren und Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen auch zurückschicken, wenn es keinen anerkannten Asyl-Grund gibt (etwa kriegerische Auseinandersetzungen in deren Herkunftsländern).

Sebastian Kurz selbst sieht sich dagegen in der von Alois Mock geprägten, pro-europäischen Tradition der ÖVP, die am Samstag beim offiziellen Wahlkampfauftakt in der Wiener Stadthalle 10.000 Anhänger versammelt.