Neos sehen Schweizer Modell des "assistierten Suizids" als Option.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Wenn es der Gesellschaft wichtig ist, dass niemand gegen seinen Willen getötet wird, brauche ich eine Verfassungsregelung", sagt der Verfassungssprecher der ÖVP, Wolfgang Gerstl, zur "Wiener Zeitung". Warum entscheidet dann nicht gleich die Gesellschaft, ob das Verbot der Sterbehilfe in die Verfassung kommt? "Ich bin nicht gegen eine Volksbefragung oder Volksabstimmung in dieser Frage. Das kann man genauso machen", erklärt Gerstl.
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen berichtete die "Wiener Zeitung" über die Einigung, ein Verbot der Sterbehilfe in der Verfassung zu verankern - ein alter Wunsch der ÖVP. Seitdem regt sich bei der SPÖ Widerstand, nun gibt es eine parlamentarische Enquete, in der das "Verbot der "Tötung auf Verlangen" diskutiert wird. Das kann Monate dauern. Und am Ende könnte offenbar auch das Volk am Wort sein.
Am deutlichsten unterscheiden sich die Neos von der ÖVP. "Das Verständnis von Selbstbestimmung der Bürger ist heute ein anderes. Man sollte zumindest die Frage stellen, wie intensiv die Rolle des Staates am Sterbebett des Bürgers ist", sagt der Sozialsprecher der Neos, Gerald Loacker. Unter bestimmten Umständen kann er sich "eine Mitwirkung an der Selbsttötung des Patienten" vorstellen, wie es in der Schweiz erlaubt ist. "In einem großen Kontext kann ein Teil der Geschichte assistierter Suizid sein." Doch zuerst brauche es eine "ergebnisoffene" Debatte.
Der Staat am Sterbebett
Das Verbot von Beihilfe zum Selbstmord führe zu Nebenerscheinungen, die man auch nicht gerne habe, gibt Loacker zu bedenken. "Selbstmordversuche sind nichts Schönes, da kann vieles schiefgehen." Oder die Menschen gingen gleich in die Schweiz, sagt der Vorarlberger. Noch liberaler ist Holland. Dort können Ärzte nach mehrfachem Wunsch unheilbaren Patienten eine tödliche Spritze verabreichen. Loacker: "Das geht uns aus heutiger Sicht zu weit."
Auch die Grünen sind gegen eine Verfassungsschranke. "In so einer bedeutsamen Frage dürfe es keinen Maulkorb geben", verweist Gesundheitssprecherin Eva Mückstein auf Liberalisierungstendenzen in Europa. In Österreich sei das Thema nicht ausdiskutiert. Sie ortet aber eine Mehrheit für die Sterbehilfe in der Bevölkerung.
Gerstl bezweifelt das. Denn unter "Sterbehilfe" verstünde jeder etwas anderes. "Die Angst, dass Maschinen nicht abgestellt werden, hat damit nichts zu tun." Das sei unter gewissen Umständen bereits jetzt möglich. Gerstl will deswegen nicht von "Sterbehilfe", sondern von "Tötung auf Verlangen" sprechen, wo jemand aktiv sagen müsse: "Töte mich." Warum das für die christlichsoziale Partei tabu ist, begründet die ÖVP mit einem Zitat des verstorbenen Kardinals Franz König: "Der Mensch soll an der Hand, nicht durch die Hand eines Menschen sterben."
Aus Sicht von Mückstein ist es wichtig, besser über die Möglichkeiten passiver Sterbehilfe und Patientenverfügungen, die kaum bekannt seien, aufzuklären. Über "aktive Sterbehilfe" solle man "nachdenken". Persönlich will sie die Frage mit sich selbst ausmachen. Genau genommen müssen das alle 183 Abgeordneten, sollte nicht gleich das Volk entscheiden. Die Parteien verzichten in der Gewissensfrage bewusst auf den Klubzwang.
In der SPÖ spricht sich Gesundheitsminister Alois Stöger gegen ein Verfassungsgesetz aus. Harald Stefan von der FPÖ (so wie der SPÖ-Verfassungssprecher am Freitag nicht erreichbar), ist "grundsätzlich gegen Sterbehilfe", die Partei will das noch klären.