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Nach dem Beschluss des SPÖ-Präsidiums, Regierungsverhandlungen mit der ÖVP aufzunehmen, trafen die Teams der beiden Parteien gestern zu einer weiteren Plenarrunde zusammen. Während SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer sich im Anschluss daran mit Kommentaren zurückhielt, brachte ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel seine Unzufriedenheit zum Ausdruck: Er hätte sich von den Gesprächen der letzten Tage "mehr Substanz" erhofft.
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Jetzt sei die ÖVP am Zug, meinte die SPÖ. Zunächst müsse die SPÖ einige Fragen beantworten, erwiderte die ÖVP. Auch nach dem gestrigen, beinahe fünfstündigen, Treffen sind sich die Verhandlungsteams der beiden Parteien kaum näher gekommen.
Aus Sicht der SPÖ hätte es die abschließende Sondierungsrunde sein sollen: Nun müsse sich die ÖVP entscheiden, mit wem sie Regierungsverhandlungen aufnehmen möchte. Dass die Volkspartei davor noch "Sondierungen" mit der FPÖ und den Grünen führt, bleibe ihr unbenommen, räumte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer ein. Doch Ende nächster Woche sei dann ein Entschluss fällig.
Ein solcher ist in der SPÖ tags zuvor gefallen. Das Präsidium hat die Aufnahme von Regierungsverhandlungen mit der ÖVP beschlossen - mit einer Gegenstimme. Die oberösterreichische SPÖ um Landesobmann Erich Haider lehnte Koalitionsgespräche ab. "Ich glaube einfach nicht, dass die ÖVP einem Kurswechsel zustimmen wird", begründete Haider.
Beweglichkeit fordert die SPÖ bei einer Pensionsreform mit dem Ziel eines einheitlichen Systems, einer Neuordnung des Gesundheitssystems oder der Staatsreform. Die grundlegenden Forderungen der SPÖ aus dem Wahlkampf - wie Nein zur Abfangjäger-Nachbeschaffung - bleiben aufrecht, betonte Gusenbauer.
Seine Antwort darauf formulierte der ÖVP-Obmann scharf: "Wer mit uns verhandeln will, darf keine Bedingungen aufstellen. Wir werden keine Bedingungen akzeptieren." Wolfgang Schüssel sagte zwar "ja zu seriösen Verhandlungen", doch zuvor wollte er an die SPÖ noch einige Fragen gestellt haben. Denn für ein Regierungsprogramm müssten "die Eckpunkte der großen Reformen außer Streit stehen". Dazu gehöre etwa das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts über den Konjunkturzyklus hinaus oder einer Steuerentlastung, die heuer aber "selbstverständlich" nicht möglich sei.
Im Gesundheitswesen strebe die ÖVP eine Vereinheitlichung der Systeme mit einheitlichen Selbstbehalten an, stellte Schüssel neuerlich klar. Und beim Sicherheitskomplex müsse außer Streit gestellt werden, dass sich Österreich in allen Bereichen an einer europäischen Sicherheitsunion beteilige. Daher müsse aber Sicherheit sowohl zu Land als auch in der Luft gewährleistet sein. Für die bisherigen Gespräche mit der SPÖ fand der Bundeskanzler kaum lobende Worte. Zwar seien sich die Parteien beim "Problemaufriss" näher gekommen, bei konkreten Zielen seien die Treffen aber "recht enttäuschend" verlaufen.
Skeptisch zeigten sich auch einige SP-PolitikerInnen vor der gestrigen Vorstandssitzung, bei der der Beschluss des Präsidiums vorgelegt wurde. Kein "inhaltliches Entgegenkommen" seitens der ÖVP ortete Umweltsprecherin Uli Sima. Und laut Sozialsprecherin Heidrun Silhavy sei das Interesse der ÖVP an einer großen Koalition nicht sehr groß.
Nicht vermindert sieht unterdessen die FPÖ ihre Chancen auf Regierungsbeteiligung: Diese schätzt Parteiobmann Herbert Haupt weiterhin mit 30 Prozent. Die Grünen hingegen sehen die Möglichkeit einer schwarz-roten Koalition "durchaus vergrößert".