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ÖVP lockt Familien mit Milliarden

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

7000 Euro Freibetrag pro Kind kostet 2,5 Milliarden. SPÖ: Ungerecht und teuer.


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Wien. Im internationalen Standortwettbewerb schlägt die ÖVP einen völlig neuen Weg vor. Sie will Österreich "zum kinderfreundlichsten Land in Europa" machen - und ist bereit, dafür viel Geld in die Hand zu nehmen. Geht es nach der Volkspartei soll die Kinderbetreuung weiter ausgebaut, die Familienbeihilfe vereinfacht und ein Steuerfreibetrag eingeführt werden.

Die Frage der Leistbarkeit von Kindern soll sich für junge Leute nicht mehr stellen, erklärte ÖVP-Obmann Michael Spindelegger am Donnerstag vor Journalisten. Daher soll die Förderung von Familien auf neue Beine gestellt werden.

Das derzeitige System der Familienbeihilfe sei "unübersichtlich und intransparent", kritisiert Familienminister Reinhold Mitterlehner. Statt eines Systems mit sechs Instrumenten (vier Altersstufen, Geschwisterstaffelung, Schulstartgeld, Mehrkindzuschlag, Zuschlag für Kinder mit Behinderung und Kinderabsetzbetrag) soll es nur noch drei geben. Drei Altersstufen - bis neun Jahre 180 Euro, von zehn bis 18 Jahren 200 Euro und ab 19 Jahren 220 Euro pro Monat - plus Geschwisterstaffelung plus einen erhöhten Behindertenzuschlag.

Flaf-Entschuldung würde sich auf 2019 verschieben

"Mit diesem System wird niemand etwas verlieren", so Mitterlehner. Vielmehr würde sich daraus eine durchschnittliche Erhöhung der Familienbeihilfe um sechs Prozent ergeben. Geplant ist auch eine zweijährliche Anpassung. Die Mehrkosten beziffert der Familien- und Wirtschaftsminister mit 200 Millionen Euro pro Jahr, bei einem Gesamtvolumen von letztlich 4,5 Milliarden Euro. Dass sich durch eine solche Maßnahme die Entschuldung des Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) um ein Jahr auf 2019 verschiebt, ist laut Mitterlehner "vertretbar".

Gleich 2,5 Milliarden Euro soll die von der ÖVP ins Auge gefasste steuerliche Entlastung von Familien kosten. Diese ist aus Sicht der ÖVP nötig, weil Österreich zwar Weltmeister bei den Familientransferleistungen ist, aber Schlusslicht bei den steuerlichen Begünstigungen der Familien. Diese (etwa die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten) machen gerade einmal zwei Prozent der staatlichen Familienleistungen aus. Der Rest entfällt auf Geld- und Sachleistungen. Dieses Verhältnis will die Volkspartei auf etwa 20:80 ändern.

Finanzministerin Maria Fekter schlägt nun vor, dass jeder steuerpflichtige und unterhaltsverpflichtete Elternteil pro Kind 3500 Euro steuerlich geltend machen kann. In Summe also 7000 Euro. Verdient nur ein Elternteil, soll es bei 3500 Euro Freibetrag bleiben. Ein Familiensplitting wie in Deutschland werde es nicht geben, so Fekter. Auch keine Negativsteuer - etwa für jene, die wegen eines zu geringen Einkommens keine oder weniger als 3500 Euro Steuern zahlen. Bisherige steuerliche Begünstigungen sollen ebenso beibehalten bleiben, wie die bisherigen Geld- und Sachleistungen.

Dass nur steuerpflichtige in den Genuss des Absetzbetrags kommen, dient aus Sicht der ÖVP der Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen. Zwar werde es immer jemanden geben, der sich "nicht optimal behandelt fühlt", aber es sei trotzdem "die größte steuerliche Entlastung für Familien", erklärte Spindelegger. Schlagend werden könnte sie übrigens wohl nicht vor 2016.

Absage von der SPÖ undden Oppositionsparteien

Die Chancen, dass die ÖVP mit ihren Familienplänen durchkommt, stehen allerdings nicht besonders gut. Vom Koalitionspartner SPÖ kam jedenfalls umgehend eine Absage.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kritisierte mit Blick auf den zeitlichen Horizont, die ÖVP halte den Familien "mal wieder die Karotte vor die Nase". Jetzt einen Vorschlag für 2016 zu präsentieren, sei "mehr als unseriös". Heinisch-Hosek kritisierte auch das "Steuerzuckerl" für "die bestverdienenden Eltern", während fast die Hälfte der Eltern überhaupt keine Möglichkeit hätten, Steuerleistungen überhaupt abzurufen. Die 2,5 Milliarden Euro, die die Steuerentlastung koste, entsprächen außerdem umgerechnet 766.666 neuen Kinderbetreuungsplätzen.

SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder bezeichnete die ÖVP-Pläne als "sozial ungerecht und unfinanzierbar". Die ÖVP zeige "einmal mehr, dass ihr das Kind eines Generaldirektors mehr ‚Wert‘ ist, als das Kind einer alleinerziehenden, teilzeitbeschäftigten Mutter."

Auch auf die Unterstützung der Opposition kann Spindelegger mit seinen Familienplänen nicht hoffen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nannte sie "völlig unglaubwürdig". Alleine der Zeithorizont 2016 entlarve diese Ansage als reine Wahlkampflüge, so Strache.

Grüne: "Kommt nur den Besserverdienenden zugute"

Aus Sicht der grünen Familiensprecherin Daniela Musiol will die ÖVP mit ihrem Familienpaket "darüber hinwegtäuschen, dass sie in den letzten Jahren in diesem Bereich nichts weitergebracht hat". Von den vorgeschlagenen Freibeträgen hält Musiol nichts, denn "es ist bekannt, dass steuerliche Begünstigungen und Freibeträge nur den Besserverdienenden und nicht der breiten Masse zugutekommen."

Für BZÖ-Familiensprecherin Ursula Haubner sind Spindeleggers Vorschläge "ein weiteres Beispiel für die unglaubwürdigen Wahlzuckerl-Initiativen von SPÖ und ÖVP". In Wahrheit würden beide Parteien die Familien nicht entlasten wollen, so Haubner und schlägt einen Kinderabsetzbetrag von 9000 Euro pro Kind und Jahr statt dem "Förderungs- und Absetzwirrwarr" vor.