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Die ÖVP-Spitze wird in der Bildungsdebatte von Tatsachen überrollt. Seit fast 40 Jahren - nicht gerechnet die Forderungen von Otto Glöckel in der Zwischenkriegszeit - leistet sie Widerstand gegen eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen. Obwohl nahezu die gesamte Welt dieses Modell praktiziert - mit Ausnahme der deutschsprachigen Länder.
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Schlechte Pisa-Ergebnisse österreichischer Schüler, steigende Unzufriedenheit der Unternehmer mit Lehrlingen, die nicht mehr sinn-erfassend lesen, rechnen oder schreiben können, die hohen Drop-out-Raten aus dem Schulsystem sprechen aber für sich.
Mit zehn Jahren wird getrennt in jene, die an die AHS gehen, und jene, die in der Hauptschule verbleiben. Natürlich gibt es Möglichkeiten, auch nach erfolgreicher Hauptschule noch die höchste Bildungslaufbahn anzusteuern, die Zahlen sagen aber Gegenteiliges: Die AHS ist der Zubringer an die Universitäten. Und an den AHS sind Jugendliche aus bildungsfernen Schichten unterrepräsentiert. Sprich: Wer aus einem Arbeiter- oder Migrantenhaushalt kommt, geht an die Hauptschule und dann bestenfalls in eine Lehre.
Diese frühe Trennung hat noch eine weitere Tücke: An den AHS müssen sich Lehrer um die Begabungen und die Förderung der Kinder nicht bemühen, schlimmstenfalls können die Kinder in die Hauptschule und von dort in die Sonderschule abgeschoben werden. Dieses Abschieben bewirkt, dass Kinder nicht dazu gebracht werden, ihre Limits zu erreichen und in anderen Fällen Höchstleistungen zu bringen.
Wirtschaft und Industrie, die vor allem Sorge um den Wirtschaftsstandort haben, wollen nicht länger zusehen, wie das Humankapital ungenützt und kreative Kräfte in der Verborgenheit bleiben. Die umfangreichen Studien geben genügend Stoff für eine faktenorientierte Reform. Und diese sollte, so wollen es Veit Sorger von der Industriellenvereinigung und Christoph Leitl von der Wirtschaftskammer, möglichst rasch umgesetzt werden.
Und das auch gegen Widerstand in den eigenen Reihen. Vor allem die Lehrergewerkschaft hat über den ÖAAB großen Einfluss auf die Bildungspolitik der ÖVP. Bisher hat denn auch der ÖAAB die Bildungsdebatte in der ÖVP beherrscht, Bauernbund und Wirtschaft haben sich vornehm zurückgehalten. Zuletzt hat der ÖAAB eine Annäherung versucht, indem er in seinem Bildungskonzept den Übertritt von der Hauptschule in die AHS erleichtern will.
Die Wirtschaft, die sich nun offen für die Gesamtschule ins Zeug legt, wird dieses Thema ÖVP-intern - bis Herbst soll ein schwarzes Bildungskonzept stehen - nicht mehr aus der Hand geben wollen. Für die ÖVP wird das eine harte Entscheidung: Die Wirtschaft sorgt für volle Parteikassen, der mitgliederstarke ÖAAB für Stimmen an der Wahlurne. Fragt sich, wer dieses Match gewinnt?
Siehe auch:Widerstand in der ÖVP bröckelt