Wurde eine kolportierte Koalitionskrise zwar erst vor kurzem seitens der Regierung "abgesagt", so scheint die Situation zwischen ÖVP und FPÖ doch weiterhin gespannt. In Sachen Verfassungsgerichtshof (VfGH) kam am Montag ein deutliches Nein der ÖVP zu den von Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider fortgesetzten Attacken auf die Verfassungsrichter sowie deren Bezüge. "Zur Verantwortung der Bezügereform stehe ich", stellte ÖVP-Klubobmann Andreas Khol als einer der Hauptverhandler in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem FPÖ-Pendant Peter Westenthaler eindeutig klar.
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"Wir sind Politiker, die Emotionen zeigen", hatte Westenthaler die Tonart Haiders zuvor verteidigt, ebenso die erlaubten Mehrfachbezüge der Verfassungsrichter kritisiert und eine rasche Änderung des Bestellungsmodus gefordert.
Bereits am Sonntag hatte der Kärntner Landeshauptmann den VfGH erneut scharf angegriffen und legte am Montag noch ein Schäuferl nach: Änderungen der Bezügeregelungen 1997 seien auf den VfGH nicht angewandt worden, die Verfassungsrichter bekämen jetzt sogar mehr. Ihre Obergrenze bei Mehrfachbezügen sei höher, ebenso die Abfertigungsansprüche. Er warf dem VfGH vor, "es sich selbst gerichtet" zu haben - und nannte im gleichen Atemzug den Verfassungsrichter Gerhart Holzinger, der als Leiter des Verfassungsdienstes an der Regelung mitgewirkt habe.
VfGH-Präsident Ludwig Adamovich konterte: Holzinger sei seit Juli 1995 Verfassungsrichter und damit so wie er selbst "längst nicht mehr im Bundeskanzleramt gewesen", als 1997 das Bezügebegrenzungsgesetz beschlossen worden war, wie dieser kurz darauf auch selbst wissen ließ. Am Tag seiner Ernennung sei er - wie es die Verfassung vorsehe - im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes außer Dienst gestellt worden, so Holzinger.
"Der VfGH ist zu keiner Zeit involviert gewesen", stellte auch Khol eindeutig klar. Vielmehr sei die Bezügereform im Hohen Haus von vier der damals fünf Parlamentsparteien beraten worden - ohne der FPÖ. Diese hatte damals gegen die Regelung gestimmt. Die höhere Obergrenze sei seiner Ansicht nach wegen der "unglaublich verantwortungsvollen Position" gerechtfertigt, so Khol.
Haider wiederholte am Montag bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt auch seinen Vorwurf in der Causa Ortstafelerkenntnis. In dieser Sache habe der VfGH seine Kompetenzen überschritten. Schon am Sonntag hatte der Kärntner Landeshauptmann in der Fernseh-"Pressestunde" dem VfGH vorgeworfen, "politisch korrumpiert" zu sein.
"Ich halte die Kritik Haiders für sachlich nicht gerechtfertigt und im Stil unangebracht", fand Klubobmann Khol gestern vor Journalisten klare Worte. Er sehe den VfGH als einen Gerichtshof, der immer in Mitten einer politischen Diskussion stehe. Eine Diskussion über eventuelle Änderungen sei seiner Ansicht nach auch legitim, allerdings müsste man den "Geruch der Anlassgesetzgebung wegbringen". Westenthaler schlug an dieser Stelle die Abhaltung eine parlamentarische Enquete in Sachen VfGH vor.
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim warf dem Alt-FPÖ-Chef in einer Aussendung den "Versuch der Manipulation und Einschränkung der unabhängigen Rechtsprechung durch beispiellose Brutalität, höchstpersönliche Verunglimpfung und völlig haltlose Unwahrheiten" vor. Offenbar wünsche sich Haider im Verfassungsgerichtshof nicht starke Persönlichkeiten von hoher Reputation und wissenschaftlichem Ruf, sondern einen Gerichtshof, der auf jeden seiner "machttrunkenen Zwischenrufe" reagiert.