Die Volkspartei legt sich auf neue Versicherungssparte fest. Wirtschaft verzichtet nicht auf Beitragssenkung.
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Wien. Die für Herbst angekündigte Pflegereform fällt dem Bruch der türkis-blauen Koalition und den vorgezogenen Neuwahlen am 29. September zum Opfer. Die ÖVP mit Parteiobmann und Spitzenkandidat Sebastian Kurz hat jetzt aber im Wahlkampf ihr Modell einer neuen öffentlichen Form der Pflegeversicherung zur Finanzierung vorgelegt. Pflege wird darin eine neue Säule der Sozialversicherung und bei der Unfallversicherungsanstalt angesiedelt. Mittel aus Beiträgen zur Unfallversicherung werden für die Pflege aufgewendet, der größere Teil der zusätzlichen Pflegekosten soll nach dem ÖVP-Plan ohne Beitrags- und Steuererhöhungen aus dem Budget kommen.
Kurz hat schon im Herbst des Vorjahres ein Pflegekonzept samt nachhaltiger Finanzierung in Aussicht gestellt. Am Montag präsentierte er mit ÖVP-Seniorenbundchefin Ingrid Korosec und ÖVP-Frauenchefin Juliane Bogner Strauß nun Finanzierungsdetails. Im Gegensatz zum deutschen Modell der Pflegeversicherung mit eigenen Beiträgen, würde Pflege in Österreich eine neue Sparte der Sozialversicherung. Mit dem Rückgang bei Arbeitsunfällen möchte die ÖVP Geld aus der allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) zur Pflege umschichten.
Großteil der Mittel soll aus dem Budget kommen
Ein genaues Volumen, wieviel Geld aus den Beiträgen der Unfallversicherung und wieviel für den größeren Brocken aus dem Bundesbudget kommt, wurde nicht genannt. "Das wird natürlich ein Prozess sein", sagte Kurz. Zugleich betonte der ÖVP-Obmann, die Beiträge zur Unfallversicherung, die ausschließlich von den Unternehmen bezahlt werden, werden für die Pflege nicht angehoben. Das bedeute, dass sie auf dem "Level bleiben sollen, wie sie sind".
Damit verabschiedet sich die ÖVP jedoch von der bisherigen Forderung nach einer weiteren Senkung der Unfallbeiträge. Mit Beginn des heurigen Jahres sind die Beiträge zur Unfallversicherung von 1,3 auf 1,2 Prozent des Bruttolohns gesenkt worden . Das hat der Wirtschaft rund 100 Millionen Euro an Einsparungen gebracht. Allerdings war eine weitere Senkung auf 0,8 Prozent in Aussicht genommen worden.
Das hätte insgesamt für die Betriebe eine Entlastung von knapp 500 Millionen Euro gebracht. Die ÖVP-dominierte Wirtschaftskammer will darauf jedenfalls nicht verzichten. Eine spürbare Senkung der im internationalen Vergleich hohen Lohnnebenkosten sei "unabdingbar". Danach wurde die Wirtschaftskammer noch deutlicher: "Jede angedachte Finanzierungslösung darf keinesfalls die versprochene Lohnnebenkostensenkung gefährden, geschweige denn diese noch erhöhen", wurde in einer Aussendung klargestellt.
Unklar bleibt auch, wieviel Geld sich die AUVA durch weniger Arbeitsunfälle tatsächlich erspart und wie eine Umschichtung von Mitteln zur Pflege zu bewältigen ist. Auf entsprechende Fragen der "Wiener Zeitung" gab es nur eine allgemeine Reaktion von AUVA-Obmann Anton Ofner. Der Gesetzgeber müsse festlegen, welche Leistungen zu erbringen seien. Erst wenn es ein "tragfähiges legistisches Konzept" gebe, könne die AUVA eine fundierte Aussage treffen, teilte Ofner mit.
Fix ist aber, dass die AUVA zur türkis-blauen Sozialversicherungsreform 135 Millionen an Sparmaßnahmen beisteuern muss. Außerdem werden vom Gesamtjahresbudget der AUVA von 1,4 Milliarden Euro allein 600 Millionen Euro fix für Unfallrenten aufgewendet.
Differenzen in der SPÖ um Geld aus neuer Erbschaftsteuer
Allerdings gibt es nicht nur zwischen ÖVP und Wirtschaftskammer eine Kraftprobe, ob mit der Umschichtung von Mitteln zur Pflege die weitere Senkung der Unfallbeiträge gefallen ist. In der SPÖ setzt Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ganz auf eine "Garantie" der Finanzierung der Pflege aus dem Bundesbudget.
Die SPÖ-Gewerkschafter drängen hingegen, wie auch der SPÖ-Pensionistenverband, darauf, eine Erbschaftssteuer für Beträge ab einer Million Euro einzuführen. Diese Einnahmen müssten in die Pflege fließen. Eine solche Festlegung auf eine Erbschaftsteuer gibt es vonseiten der SPÖ-Spitze ausdrücklich nicht. "Wir haben gesagt, budgetfinanziert", wurde der "Wiener Zeitung" erklärt.
Die Liste Jetzt tritt auch für die Finanzierung aus Steuermitteln ein. Für Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker ist eine Lösung via Sozialversicherung die teuerste Variante. Die ÖVP-Pläne würden zum "Desaster" wie bei den Pensionen, die Zuschüsse aus dem Budget würden jedes Jahr exorbitant steigen.