Mikl-Leitners Partei trotz Rekordtief vorerst gegen personelle Konsequenzen.
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Das war nur schwer zu verdauen für Niederösterreichs ÖVP am Wahlabend. Der scheidende ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger sprach schlicht von einer "Niederlage", Landeshauptfrau Johana Mikl-Leitner von einem "schmerzlichen Ergebnis". Mit einem Absturz um beinahe zehn Prozentpunkte - nach Hochrechnungen sogar unter die 40-Prozent-Marke - verlor die ÖVP am Sonntag bei der Landtagswahl nicht nur die knappe absolute Mehrheit im neuen Landtag, sondern fuhr damit das klar schlechteste ÖVP-Ergebnis in Niederösterreich in der Zweiten Republik ein. Darüber hinaus musste sich die ÖVP darauf einstellen, was sie unbedingt verhindern wollte: den gleichzeitigen Verlust der Mehrheit in der Landesregierung an FPÖ und SPÖ.
Die Hauptgründe für die Schlappe sah man allerdings bei der ÖVP nicht unmittelbar bei sich, sondern bei der Unzufriedenheit angesichts der Krisen und Bundesthemen, die auch die Diskussion im Land bestimmt haben. Mikl-Leitner sprach von einer "Protestwelle, die über das Land gerollt ist", ausgelöst durch weltweite Krisen, durch den Krieg in der Ukraine und Folgen wie der Inflation sowie bei der Unzufriedenheit mit der Bundespolitik. FPÖ-Chef Herbert Kickl sei es gelungen, "unsere Landtagswahl zu einer Bundeswahl" zu machen, meinte Mikl-Leitner. "Es war eine Protestbewegung gegen den Bund", sagte ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner.
Mobilisierung konnteDebakel nicht abwenden
Grund für personelle Konsequenzen sah er trotz der dramatischen ÖVP-Verluste am Wahlsonntag hingegen nicht. Mikl-Leitner habe "gekämpft wie eine Löwin", meinte Ebner. Die ÖVP bemühte sich, den Endruck zu erwecken, man wolle jetzt möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen. Mikl-Leitner will mit einem "Modell der Zusammenarbeit" weitermachen. Sie möchte mit ihrer ÖVP als nach wie vor stärkste Partei erneut ein Arbeitsübereinkommen mit den anderen beiden Parteien in der Landesregierung, FPÖ und SPÖ, abschließen. Solche Übereinkommen der ÖVP hat es 2018 jeweils mit SPÖ und FPÖ bereits gegeben.
Allerdings ist es der besonders gut organisierten niederösterreichischen ÖVP nicht gelungen, angesichts schlechter Umfragedaten ÖVP-Sympathisanten im Wahlkampfendspurt entsprechend zu mobilisieren. Auch die Warnungen, dass eine Koalition von SPÖ und FPÖ gegen Mikl-Leitner drohe, konnten den massiven Absturz in der Wählergunst nicht verhindern. In der Landes-ÖVP tröstete man sich damit, zumindest im Landtag eine blau-rote Mehrheit verhindert zu haben.
Etliche Zuckerl knappvor der Wahl verteilt
Nicht gefruchtet hat die Strategie der Landes-ÖVP, auf Distanz zur Bundespolitik und zur Bundes-ÖVP zu gehen, um einen "Denkzettel" zu vermeiden. Unter Bundeskanzler Karl Nehammer, der in Niederösterreich politisch sozialisiert wurde, ist die ÖVP bundesweit in Umfragen mit um die 20 Prozent auf den dritten Platz hinter die FPÖ und die SPÖ zurückgefallen. Der Wind von der Bundesebene in Wien in Richtung St. Pölten hat sich damit völlig gegen die ÖVP gedreht. Deswegen wurde in der ÖVP-Wahlwerbung stets betont, dass es um eine politische Entscheidung auf Landesebene gehe. Bei der Landtagswahl 2018 profitierte Mikl-Leitner bei ihrem erstmaligen Antreten noch voll vom Rückenwind des aufstrebenden ÖVP-Bundesparteiobmannes Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Das ÖVP-Wahldebakel konnte aber auch nicht verhindert werden, indem Mikl-Leitners Partei im Jahr vor der Landtagswahl noch kräftig zusätzliche Mittel in Höhe hunderter Millionen Euro lockergemacht hat, um Auswirkungen der Rekordteuerung für die Menschen in Niederösterreich abzufedern. Sie selbst hat wenige Tage vor der Wahl eingeräumt: "Bei aller finanziellen Unterstützung bleibt die Angst vor Wohlstandsverlust."
Dabei hatte die ÖVP-Landeschefin schon vor dem Sommer des Vorjahres medienwirksam von der Bundesregierung und damit konkret von Nehammer und dem von der ÖVP gestellten Finanzminister Magnus Brunner weitere Entlastungen verlangt, woraufhin ÖVP und Grüne ein erstes Milliardenpaket im Kampf gegen die Rekordinflation geschnürt haben.
Auf Landesebene wurde angesichts der hohen Energiepreise auf Betreiben der ÖVP noch etwas draufgelegt. Zusätzlich zu der vom Bund mit Dezember des Vorjahres eingeführten Strompreisbremse wurde in Niederösterreich ein eigener Strompreisrabatt fixiert. Für Pflegekräfte gab es zusätzlich zu den vom Bund refundierten 2.000 Euro Ende des vergangenen Jahres 500 Euro extra aus Landesmitteln.
Vier Prozentpunkte unter dem bisher schwächsten Ergebnis
Darüber hinaus wurden auch die Weichen für eine Ausweitung des Kindergartenbesuchs für Kinder unter zwei Jahren ab dem September dieses Jahres sowie mehr Kindergartenpersonal angekündigt. Die Mehrkosten dafür allein bis zum Jahr 2027 werden mit rund 750 Millionen Euro beziffert.
Das bisher schlechteste Abschneiden für die ÖVP gab es übrigens beim ersten Antreten von Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll 1993 mit 44,2 Prozent. Zehn Jahre lang dauerte es bis 2003, bis wieder unter Erwin Pröll die absolute Mehrheit für die ÖVP zurückgeholt war, die nach 20 Jahren nun verloren wurde.