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ÖVP schnappt sich grünes Thema

Von Bernd Vasari

Politik

Stenzel macht Umfrage zu Bäckerstraße ohne konkrete Pläne.


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Wien. Zur selben Zeit der Befragung über eine mögliche Neugestaltung der Mariahilfer Straße werden nun auch im 1. Bezirk Anrainer befragt, ob sie ihr Viertel autofrei haben wollen. Das Bemerkenswerte daran: Die beiden Befragungen werden von zwei unterschiedlichen Parteien unterstützt. Sind es bei der Mariahilfer Straße bekanntlich die Grünen, die für eine Umgestaltung werben, so ist es bei der Bäckerstraße und Umgebung die Bezirksgruppe der ÖVP-Innere Stadt.

Auch wenn die Bezirksvorsteherin des 1. Bezirks, Ursula Stenzel (ÖVP), betont, dass es hier um eine Befragung geht, die der Politik nur als "objektive Entscheidungsgrundlage" dienen soll, so steckt doch mehr dahinter, denn die Partei fischt mit dem Fußgängerthema in den Gewässern der Grünen.

Überraschend ist das rund ein Jahr vor der Wien-Wahl nicht. Nach den katastrophalen Ergebnissen der Wiener ÖVP, allen voran der Bezirksgruppe Innere Stadt, bei den vergangenen Nationalrats-, Wien-, und Bezirkswahlen, scheint nun Angriff die beste Verteidigung zu sein.

Agieren statt reagieren

Damit könnte man auch den Vorwurf, etwa von Meinungsforscher Peter Hajek, entkräften, der in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung" einmal erklärte, dass die Stadt-Schwarzen nur noch von der Reaktion und nicht von der Aktion leben würden. Auch würde die ÖVP davon leben, was die Grünen gerade bringen, so Hajek.

Im Büro Stenzel scheint es, als hätte man ein wenig Angst vor der eigenen Courage. Stenzel habe die Befragung losgelöst von ihrer Partei gemacht und sei ergebnisoffen, sagt Angelika Mayrhofer-Battlogg, Büroleiterin von Stenzel. Fragt man aber nach den Hintergründen der Befragung, wird schnell klar, auf welcher Seite die ÖVP steht. Taxis würden derzeit in der Nacht im Gebiet um die Bäckerstraße unzählige Runden drehen, so Mayrhofer-Battlogg. Stenzel hätte daraufhin die Taxi-Innung gebeten, das Gebiet nicht mehr anzufahren. Die Taxi-Innung hätte sich aber "taub gestellt".

Im Kreis fahrende Taxis

Mayrhofer-Battlogg: "Wenn die Taxis die ganze Zeit in der Gegend kreisen, dann ist ein wesentlicher Punkt erreicht. Taxi-Keilfahrten sind eine hohe Belästigung. Die Bäckerstraße ist außerdem eine Wohnstraße, in welche Taxis nur zufahren dürften." Für die kommende Befragung sei nun "zu hoffen, dass ein eindeutiges Ergebnis herauskommt." Schließlich könne man nicht immer die Polizei rufen, um das Problem zu lösen. Eine Bürgerinitiative kämpft schon länger für Verkehrs- und Lärmberuhigung. Vor allem die Gäste der Diskothek "Bettel-Alm" am Lugeck, die im vergangenen Oktober eröffnete, würden Lärm verursachen.

Insgesamt wird es drei Fragen geben, was auch rechtliche Gründe hat, wie man im Büro von Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel betont. Denn schon vor einigen Monaten war in der Bezirksvertretung beschlossen worden, ein Nachtfahrverbot zu erlassen. Jedoch: Das betroffene Grätzel rund um Bäckerstraße und Lugeck ist großteils als Wohnstraße gewidmet. In einer solchen kann laut Rathaus-Juristen kein Nachtfahrverbot verhängt werden. Der Bezirk durfte die Pläne daher nicht umsetzen.

Nun sollen folgende Fragen gestellt werden: "Fußgängerzone, ja oder nein?", "Nachfahrverbot (mit Aufhebung der Wohnstraßenregelung), ja oder nein?" sowie "Beibehaltung der jetzigen Wohnstraßenregelung, ja oder nein?" Teilnahmeberechtigt sind nicht nur Bewohner inklusive EU-Bürger, sondern auch Geschäftsleute, Gewerbetreibende und Gastronomen.

Die Befragung wird im Bereich Schönlaterngasse, Sonnenfelsgasse, Köllnerhofgasse, Lugeck, Bäckerstraße, Essiggasse, Windhaaggasse und Dr.-Ignaz-Seipel-Platz stattfinden. Der Termin wurde noch nicht fixiert. Wahrscheinlich wird die Befragung aber im Februar durchgeführt, heißt es. Über die Auswirkungen der Befragung macht man sich im Büro Stenzel noch wenig Gedanken. Ob eine Lieferung der Betriebe mit einer Fußgängerzone weiterhin gewährleistet werden kann oder Radfahrer weiterhin auf der Straße - eine der Hauptrouten durch den 1. Bezirk - fahren dürfen, ist noch unklar. Mayrhofer-Battlogg scheint dies nicht zu beunruhigen: "Mit gutem Willen findet man immer Auswege."

Politische Turnübungen

Die Befragung sei aber auf jeden Fall politisch bindend. "Da ist jeder gut beraten, keine demokratiepolitischen Turnübungen zu machen", sagt die Büroleiterin. Ob sich die anderen Parteien aber daran halten werden, ist fraglich. Auch weil die Bezirksgruppe der ÖVP-Innere Stadt ursprünglich große Neugestaltungen beim Neuen Markt, Schwedenplatz und Stephansplatz angekündigt hatte und diese Projekte - wie es scheint - nun doch wieder fallen gelassen hat.

Doch wie stehen eigentlich die Grünen zum Vorstoß der ÖVP im Bäckerstraßen-Viertel? Wäre das nicht eigentlich ihr Kernthema? Man würde derzeit an genügend Verkehrsberuhigungen arbeiten, heißt es aus dem Büro der Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou in Hinblick auf die Mariahilfer Straße, Meidlinger Hauptstraße und die fertiggestellte Ottakringer Straße. Man stelle aber erfreut fest, dass die ÖVP auf einen fahrenden Zug und klaren Trend in der Stadt aufspringe, der in Richtung mehr Verkehrsberuhigung gehe.