Die Volkspartei verzichtet diesen Sommer auf Plakate und Großveranstaltungen. Für Politikwissenschafter Filzmaier ist das "naheliegend".
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Keine Plakate, keine größeren Veranstaltungen, keine "Goodies". Die ÖVP übt sich bei ihrer geplanten Sommerkampagne in Bescheidenheit. Der persönliche Austausch soll im Vordergrund stehen, kündigte Generalsekretärin Laura Sachslehner am Dienstag an. Ab Ende der Woche werden Mitglieder der Bundesregierung, des Bundesrates, Nationalrats und des EU-Parlaments durch Österreich touren und bei kleineren Veranstaltungen wie Stammtischen über die Antiteuerungspakete aufklären. Diese seien komplex, so Sachslehner, die Menschen müssten verstehen, wie sie profitieren. Außerdem gelte es, durch persönliche Gespräche das fehlende Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.
Im Sommer 2021 zierten ÖVP-Sujets mit dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz die Plakatwände in ganz Österreich. Slogans wie "Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft" alterten nicht gut. Die Pandemie ist nach wie vor Thema, dazu kommen nun der Krieg in der Ukraine und die deutlich spürbare Teuerung.
ÖVP in der Krise
Zwei Kanzlerwechsel und eine Reihe von Skandalen später liegen die Umfragewerte der ÖVP aktuell meist nur knapp über 20 Prozent. Die letzte Nationalratswahl haben die Türkisen noch mit 37,5 Prozent gewonnen. Die einst erfolgsverwöhnte Wahlsiegerin ist zu einer Partei in der Krise geworden. Die nun gewählte Strategie der Sommerkampagne im Kleinen spiegelt das wieder und ist für den Politologen Peter Filzmaier "naheliegend". Für eine große Plakatkampagne fehle der ÖVP, die noch Schulden von früheren Wahlkämpfen zu begleichen habe, einerseits schlicht das Geld. Wie viel die Sommertour kosten wird, wollte Sachslehner trotz Nachfrage nicht sagen. In der durch die Inseratenaffären für politische Werbeausgaben sensibilisierten Bevölkerung wäre eine groß angelegte Medienkampagne auch kaum populär. Andererseits "fühlt sich die ÖVP subjektiv von den großen Medien schlecht behandelt", sagt Filzmaier. Viel lieber setze man nun auf die Berichterstattung im Kleinen, etwa in Bezirksblättern. Schon im Jahr 2006 habe die SPÖ, die damals mit der Bawag-ÖGB-Affäre zu kämpfen hatte, einen ähnlichen Weg gewählt.
Die Entscheidung von ÖVP-Klubobmann August Wöginger, ein für Montag angesetztes "ZiB2"-Interview zu einer Bilanz vor der Sommerpause abzusagen - er akzeptierte weder einen Ersatztermin, noch schickte er eine Vertretung ins ORF-Studio - scheint dem Politologen dagegen weniger schlüssig, er spricht von einer "verhaltenskreativen Denkweise" der Volkspartei. "Es wird ja trotzdem über die ÖVP gesprochen", nur könne die Partei selbst nicht ihre Position vertreten.
Als Thema für die Sommerkampagne sieht Filzmaier keine Alternative zu den Antiteuerungspaketen, spricht hier aber von einer "gefährlichen Gratwanderung". Schließlich liegen die Ursachen für die aktuelle Inflation außerhalb des Einflussbereichs der ÖVP. "Mit den Maßnahmen macht die Regierung nur etwas Schlimmes etwas weniger schlimm." Wirklich bestimmen, wie es weitergeht, könne die ÖVP aber nicht.
Um das aufgebaute Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Partei wenigstens teilweise auszugleichen, empfiehlt Filzmaier der ÖVP, bei ihrer Sommer-Tour vor allem zuzuhören. "Man wird sich viel Unangenehmes anhören müssen. Von Verkündungen, was alles toll ist, hat die Bevölkerung genug", sagt der Politikwissenschafter.(vis)