Die anderen Parteien zeigen sich skeptisch, Zwei-Drittel-Mehrheit daher unwahrscheinlich - oder ist alles nur ein strategischer Schachzug?
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Wien. Österreich verfügt über ein Gesetz, das unnötige Gesetze verhindern soll. Es wurde auf den schönen Namen "Deregulierungsgrundsätzegesetz" getauft und sieht vor, dass bei der Planung von Gesetzesbeschlüssen geprüft werden muss, ob die "Bestimmung notwendig und zeitgemäß" ist.
Geht es nach der ÖVP, soll die Republik nun ein Gesetz erhalten, das Gesetze in Vorwahlzeiten verhindert, wenn sie budgetwirksam sind. Aus dem ÖVP-Klub heißt es, dass an einem entsprechenden Antrag gearbeitet werde, nur bei "Gefahr in Verzug" soll demnach das Budget belastet werden dürfen. An der genauen Ausformulierung wird aber derzeit noch gearbeitet.
Damit dieses "Anti-Wahlzuckerlgesetz" auch tatsächlich Wirkung entfalten kann, soll es laut ÖVP in den Verfassungsrang gehoben, also mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden. Das dürfte eng werden, denn die Neos sind, höflich formuliert, skeptisch. "Ich halte es für eine Nebelgranate. Eine derartige Selbstbeschränkung ist nicht in Ordnung", sagt Nikolaus Scherak, Verfassungssprecher der Neos.
Skepsis bei SPÖ,Neos und FPÖ
Grundsätzlich sind die Parteien einig darin, dass sich jene Nacht im September 2008 nicht wiederholen dürfe, als bei einem freien Spiel der Kräfte in einer 19-stündigen Sitzung des Nationalrats über 25 Anträge abgestimmt wurde, die laut Berechnungen bis heute 30 Milliarden Euro gekostet haben. Doch wie eine "Lange Nacht der Wahlgeschenke" verhindert werden soll, ist offen.
"Ein Agreement muss reichen", sagte SPÖ-Mandatarin Sonja Hammerschmid in der ORF-Sendung "Im Zentrum", und auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, der in der Sendung noch spontan zusagt, ist tags darauf vorsichtiger. "Wir können es uns vorstellen, aber es kommt auf die Formulierung an", sagt Hafenecker, der nun auch eher in Richtung Vereinbarung statt Verfassungsgesetz tendiert.
Skepsis kommt auch aus der Wissenschaft. Der Jurist Daniel Ennöckl vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien hielte ein derartiges Gesetz "grundsätzlich für problematisch", wie er sagt. Es würde sich um ein Gesetz handeln, dessen Aussage darin besteht, dass dem Nationalrat in Vorwahlzeiten keine vernünftigen Entscheidungen mehr zugetraut werden können. "Natürlich gibt es da immer eine gewisse Dynamik, aber das ist eben Demokratie", sagt Ennöckl.
Geklärt werden muss jedenfalls noch einiges: Wie ginge es dann weiter mit diesem Anti-Wahlzuckerlgesetz? Dürfte dann die nächste Regierung auch keine Beschlüsse mehr fassen vor einer Wahl, auch wenn sie die Legislaturperiode ganz normal zu Ende bringt? Und beträfe das nur Nationalratswahlen oder auch andere? Schließlich hatte die ÖVP-FPÖ-Koalition eineinhalb Wochen vor der EU-Wahl die Erhöhung von einigen Mindestpensionen, die jährlich 50 Millionen Euro gekostet hätten, verkündet (beschlossen wurde dies allerdings noch nicht).
ÖVP bei Rauchverbotzurückhaltend
Karl Nehammer, Generalsekretär der ÖVP, machte bei "Im Zentrum" eine Zustimmung der ÖVP zu einer ebenfalls geforderten Nichtraucher-Regelung in der Gastronomie mit der Zustimmung der anderen Parteien zum Verfassungsgesetz abhängig. Dadurch ist nun aber die Wahrscheinlichkeit groß, dass beides nicht kommt: Anti-Wahlzuckerl und Nichtrauchergesetz. Zumindest, wenn die ÖVP bei ihrem Junktim bleibt. Dies könnte aber auch ein eleganter Ausweg für die Volkspartei sein, um den Ex-Koalitionspartner nicht noch mehr zu verärgern. Die Rücknahme des bereits beschlossenen Rauchverbots war der FPÖ bekanntlich besonders wichtig.
Wenn die ÖVP mit der SPÖ nun mitgeht und damit diese türkis-blaue Maßnahme zu Fall bringt: Könnten dann die Freiheitlichen ihrerseits unliebsame Maßnahmen mithilfe anderer Parteien zurücknehmen? "Wir werden die Regierungszeit nicht rückabwickeln", sagt Hafenecker.
Freilich, der Wahlkampf hat gerade erst begonnen, und in Sachen Rauchverbot redet auch der Verfassungsgerichtshof mit, der ab 11. Juni tagt. Er könnte die jetzige Regelung kippen. Dann müsste der Nationalrat ohnehin ein neues Gesetz beschließen. Oder das alte noch einmal.