Die Österreichische Volkspartei eröffnete gestern den Reigen der Neujahrskongresse der Parteien und startete mit einer Wirtschaftskonferenz ins neue Politikjahr. Der Ausgleich zwischen Wirtschafts- und Sozialkompetenz stand dabei im Vordergrund. Das Ziel der Kanzlerpartei: Österreich in allen Bereichen unter die Top 3 Europas zu bringen.
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Wie viel sich in der ÖVP in den letzten Jahren verändert hat, mag man an folgendem Umstand erkennen: Statt wie in den vergangenen Jahrzehnten üblich die klassischen Drei-Königs-Treffen dazu zu verwenden, am Stuhl des jeweiligen Obmannes zu sägen, diskutierte die VP diesmal über Österreich 2010.
"Die" Wirtschaftspartei
Am gestrigen Mittwoch pilgerte alles, was in der ÖVP Rang und Namen hat, ins steirische Unterpremstätten, wo die ÖVP ihren Wirtschaftskongress "Land der Chancen - wirtschaftspolitische Agenda Österreich 2010" abhielt. Der Ort, ein erfolgreiches High-Tech-Unternehmen, stand dabei symbolisch für den Anspruch, "die" Wirtschaftspartei zu sein.
Bundeskanzler und Parteiobmann Wolfgang Schüssel gab in seiner Rede die Richtung vor. Schluss müsse endlich sein mit dem Backen kleiner Brötchen, so Schüssel, "wir Österreicher müssen uns große Ziele setzen." In allen Bereichen Top 3 in Europa bis 2010, so das selbstgesteckte Ziel der ÖVP.
Vorrang hat für Schüssel eine Senkung der zu hohen Abgabenquote. Auf unter 40 Prozent solle diese von derzeit 45 Prozent bis 2010 sinken, was einer Entlastung der Steuerzahler um 11 Mrd. Euro oder rund 150 Mrd. Schilling entsprechen würde. Die Kunst bestehe allerdings darin, dies ohne eine Verringerung der hohen Qualität der öffentlichen Leistungen zu erreichen.
Bildung und Forschung
Gleichzeitig plädierte Schüssel für massive Investitionen in den Bildung und Forschung sowie in den Infrastrukturbereich. Hier dürfe nicht gespart, sondern müsse im Gegenteil "richtig" investiert werden. So will die Regierung im Infrastrukturbereich in den nächsten drei Jahren jeweils 20 Prozent mehr in den Ausbau von Straße und Schiene investieren, bereits geplante Großbauvorhaben vorziehen sowie eine Qualifikationsstiftung für arbeitslose Bauarbeiter einrichten.
Radikaler Umbau
Finanziert werden sollen diese mittelfristigen Vorhaben über einen radikalen Umbau der Aufgaben- und Kostenstruktur des Staates. Der Staat soll sich als Betreiber zurückziehen, jedoch als Regulator und Rahmensetzer, der Wettbewerb und Qualität sicherstellt, aktiv bleiben. In drei Arbeitskreisen zu den Themen "Arbeit", "Wachstum" und "Entlastung" diskutiert die Partei nun mit Experten bis Herbst ihr wirtschafts- und sozialpolitisches Programm bis 2010. Die Ergebnisse sollen im Oktober 2002 in Alpbach präsentiert werden.
Wie heikel der innerparteiliche Ausgleich zwischen sozialer und wirtschaftspolitischer Kompetenz für die ÖVP nach wie vor ist, ließ sich auch an der Sitzordnung am Podium erkennen. Hier saß etwa Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl neben dem scharfzüngigen Tiroler AK-Präsidenten Fritz Dinkhauser und Wirtschafts- und Sozialminister Martin Bartenstein fand sich neben ÖAAB-Obmann Werner Fasslabend wieder.
In der Diskussion postulierte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl drei Strategien, um die Konjunktur in Gang zu halten: Österreich müsse noch mehr als bisher exportieren, seine Chancen in der EU-Osterweiterung nutzen und drittens noch mehr Firmengründungen als bisher fördern. Im Bereich Unternehmensgründungen plant man bei der ÖVP Leitl zu Folge, die Zahl von rund 25.000 im Jahr 2001 auf rund 30.000 im heurigen Jahr zu steigern.
Arbeitsminister Martin Bartenstein sprach sich für eine Flexibilisierung der Arbeitswelt aus. Man müsse sich auch über eine qualifizierte Zuwanderung ab dem Jahr 2010 zu unterhalten.
Für soziale Marktwirtschaft
"Ich habe viel Freude mit der Reformfreude des Bundeskanzlers und der Bundesregierung", erklärte die frühere Nationalbankpräsidentin Maria Schaumayer am Schluss der VP-Wirtschaftstagung. Die soziale Marktwirtschaft habe die ÖVP zu früh fallen gelassen. "Mit unserer Forderung nach einer Förderung der Wissensgesellschaft sprechen wir nur einen kleinen Teil der Menschen an, der Großteil will betreut werden. Vergessen wir das nicht".