Wer ein Ziel hat, sollte es verfolgen. Und über die Steine auf dem Weg drübersteigen.
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Eigentlich hätte das Drehbuch zum Kinofilm "My Big Fat Greek Wedding" von mir stammen können, zumal meine Kindheit eine Kopie dieses Kinohits war. Meine Muttersprache war Griechisch, zu Hause war jede andere Sprache tabu, schließlich wollten sich meine Eltern nicht der Peinlichkeit hingeben, dass ich mich nicht mit meinen Verwandten unterhalten könnte. Welcher Gesichtsverlust! Sie hätten nie wieder griechischen Boden betreten können! Bis zum Schluss wurde die Hoffnung aufrechterhalten, nach Griechenland zurückzukehren, da mein Vater damals "nur" zum Studium nach Österreich gekommen war.
Das erinnert mich an einen weiteren interessanten Kinofilm: In "Zimt und Koreander" ereilt den Sohn jedes Jahr die Nachricht, dass sein in Istanbul lebender Vater endlich ins Flugzeug steige, um seine Familie und Freunde in Griechenland zu besuchen. Sie ahnen es schon: Beides ist niemals eingetroffen. Da saß ich nun mit meinen treuen Freunden schwere Legasthenie, Konzentrations-, Lese-, Lern- und Aufnahmeschwäche in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Wien und überlegte dreimal, ehe ich etwas aussprach, um nicht wieder einmal (auch wegen meines Stotterns) ausgelacht zu werden.
Der ewige Kampfgegen das Versagen
Das nämlich gehörte damals leider zur Tagesordnung, und ich erhielt dafür auch noch eine offizielle Bestätigung: Die Direktorin der Volksschule, in der ich mich vorstellen musste, erklärte meinem Vater, ich wäre für die Schule zu dumm, und er möge es doch im nächsten Jahr wieder versuchen. Vielleicht hoffte die freundliche Dame damals, mir würde ein Voodoo-Priester begegnen und mich von der Dummheit "heilen". Eine andere Volksschule nahm sich meines schwierigen Falles an. Mich erinnert das fast an die TV-Sendung "Wer will mich?".
Meine ganze Schulzeit war von Extrarunden geprägt. Während alle anderen nach ein, zwei Stunden alle Hausaufgaben spielerisch erledigt hatten, war ich stundenlang bis zum späten Abend und auch an den Wochenenden, an Feiertagen und in den Ferien damit beschäftigt, den schulischen Hürdenlauf zu meistern. Ich hatte auch samstags Schule. Also ging es zu Mittag nach Hause, wo mich eine kleine Pause in Form eines Mittagessens meiner Mutter erwartete, um mich dann wieder in Richtung Griechisch-Unterricht in Bewegung zu setzen.
Wenn heute über eine Vier-Tage-Woche gesprochen wird, muss ich doch sehr schmunzeln, da ich der Erfinder der Sieben-Tage-Woche war, zumal ich am Sonntag einiges nachzuholen hatte. Apropos nachholen: Ich war von der dritten Klasse Gymnasium so begeistert, dass ich sie nochmals absolvierte. Das war das einzige Schuljahr, in dem ich mich ausschließlich über sehr gute und gute Noten freuen durfte. Auch später trat ich als Versager in den Mittelpunkt. Die Matura schaffte der gesamte Jahrgang auf Anhieb - bis auf einen einzigen Schüler, der eine Nachprüfung hatte. Na, wer war das wohl? Wieder einmal wurden meine Ferien gekürzt, um mich Latein hinzugeben.
Nachdem (auch) diese Aufgabe gelöst war, wartete die nächste, denn mein Kindheitstraum war es, Pilot zu werden. Ich bewarb mich also gleich, nachdem meine Reife schriftlich bestätigt worden war, bei einer Fluglinie. Den heiß ersehnten Brief endlich in Händen, folgte die nächste Enttäuschung auf dem Fuß: "Da Sie während Ihrer Schulzeit das Fach der darstellenden Geometrie nicht absolviert haben, ist es uns leider nicht möglich, Sie zu den Eignungstests zuzulassen." Wie bitte? Na so weit kommt’s noch! Ich machte mich sofort daran, eine Lösung zu finden. Also kontaktierte ich sämtliche Maturaschulen und fragte, ob sich der Stoff der dreijährigen Oberstufe so schnell wie möglich nachholen ließe. Selbstverständlich! Somit stand das Programm für den kommenden Sommer fest, und ich schaffte es tatsächlich, das Wissen, das in drei Jahren vermittelt wird, in drei Monaten in mein Kurzzeitgedächtnis zu trommeln.
Verfehlte Berufswünscheund verlängertes Studium
Hamburg, 7 Uhr Früh, meine (damals noch vorhandenen Haare) saßen, und meine Pilotenkarriere konnte beginnen. Das Einzige, was noch zwischen mir und dem Cockpit stand, waren die Aufnahmetests. Zwei Tage lang, jeweils bis zu zehn Stunden. Chemie, Physik, Mathematik, Deutsch, Englisch, darstellende Geometrie, Konzentrations- und Merkfähigkeit wurden so schnell abwechselnd abgefragt, dass mich das schon zum Wettkönig bei "Wetten, dass . . ?" gemacht hätte. Ich weiß noch, wie ich am ersten Tag nach stundenlangen Tests um ein Sauerstoffzelt bat und stattdessen ein einstündiger Merktest folgte. Ergebnis nach regulärer Spielzeit und einer knappen Nachspielzeit: Von 1.000 Bewerbern wurde ein einziger Kandidat genommen . . . und diesmal war ich es zur Abwechslung - wieder nicht.
"Gut", dachte ich mir, "wenn du nicht Pilot werden kannst, dann studierst Du Rechtswissenschaften und wirst Außenminister." Meine Ziele waren immer schon sehr hoch gesteckt - heute bin ich froh, dass beide Berufswünsche nicht aufgegangen sind. Allerdings ereilte mich davor noch eine andere interessante Erfahrung: Während meiner Schulzeit hatte ich meine armen Eltern mit zahlreichen Krankheiten und Operationen auf Trab gehalten. Hätte ich damals für jeden Arzt- und Krankenhausbesuch Prämien erhalten, würde ich heute im eigenen Businessjet fliegen. Aber das, was mich nun ereilte, übertraf alles Dagewesene.
Zwei Wochen lang lag ich mit hohem Fieber zu Hause und schluckte starke Antibiotika, dann wurde mein Aufenthaltsort kurzerhand ins Spital verlegt. Nach weiteren fünf Wochen in einem Saunazustand war ich um 15 Kilo leichter und nur noch ein Schatten meiner selbst. Da konnte kein Fitnesstraining und kein Abnehmpräparat mithalten. Als einer der Ersten in Österreich litt ich am Pfeifferschen Drüsenfieber, und viele Ärzte aus dem ganzen Land eilten herbei, um mich zu begutachten. Mit den Tieren im Zoo konnte ich locker mithalten. Meine arme Mutter war sich dazwischen nicht mehr sicher, ob Sie mich wieder lebend aus dem Spital bekommen würde, und trug sicherlich zum erhöhten Kerzenverkauf bei.
Wie auch schon für die Schule brauchte ich, im Vergleich zu den Kommilitonen, auch für das Studium etwas länger. Einerseits waren meine treuen Freunde aus der Schulzeit immer noch an meiner Seite, andererseits begann ich, um ein bisschen Spannung hereinzubringen, vormittags in einer Rechtsanwaltskanzlei und an vielen Wochenenden in der Gastronomie zu arbeiten. Somit erhob ich das längere Sitzen zur olympischen Disziplin, und die Bibliotheken und Lesesäle Wiens verliehen mir das Ehrenzeichen für den besten Stammkunden.
Ein Sommer in Yaleund eine karitative Aktion
Eines Tages hatte ich eine geniale Idee. Um ein bisschen Abstand vom vielen Lernen zu gewinnen und mich zu erholen, entschied ich mich, für einen Sommer in die USA zu gehen, um das dortige Recht zu studieren und somit wieder ein bisschen meine Sitzmuskulatur zu trainieren. Genial, oder? Mit stolzer Brust brachte ich meine Idee, die renommierte Yale University zu besuchen, meinem Vater näher, der mich ganz ruhig ansah und antwortete: "Wenn du meinst. Ich zahle den Flug nach New York, die Studiengebühren zahlst du selbst." Das Ergebnis war ein sehr arbeitsintensiver Sommer, damit ich im nächsten Jahr die Gebühren auch tatsächlich zahlen konnte. Dies gelang, und einem neuen Abenteuer stand nichts mehr im Weg.
Da ich der Ansicht war, mit meinem Englisch auf Matura-Niveau mit allen "native speakers" locker mithalten zu können, wollte ich das Lernen ein bisschen zurückfahren und mir an den Wochenenden New York, Boston und Washington ansehen. Am Ende saß ich doch wieder stundenlang mit meinem besten Freund, "Dr. Langenscheidt", in der Bibliothek und schaffte es erst nach absolvierter Prüfung, einmal kurz nach New York zu fahren.
Nach einem abgeschlossenen Rechtsstudium, einem postgradualen berufsbegleitenden Wirtschaftsstudium und zahlreichen Tätigkeiten im In- und Ausland beschloss ich 2009, mich als Unternehmensberater selbständig zu machen. Im November desselben Jahres organisierte ich ein privates Fest, auf dem ich mich bei allen meinen Geschäftsfreunden, Klienten, Freunden und Verwandten für das abgelaufene Geschäftsjahr bedanken wollte. Diese Gelegenheit am Schopfe gepackt, stellte ich zugunsten einer Wiener Obdachlosenorganisation ein Gewinnspiel auf mit dem Ziel, 1.000 Euro zu sammeln, von denen ein neuer Zahnarztsessel angehalt werden sollte. Tatsächlich kamen 23.300 Euro zusammen, da ich nicht aufgab und alle Geschäftsführer und Vorstände, die nicht zur Feier kommen konnten, danach nochmals kontaktierte und um eine Spende bat.
Jugendlichen aufAugenhöhe begegnen
Drei Monate später, im Februar 2010, nahm ich an einer internationalen Konferenz teil, auf der sich mehr als 500 Menschen aus der ganzen Welt Lösungen zu den damaligen Herausforderungen überlegten. Ich blickte in den großen Festsaal und fragte mich, wie wir all diese vielen Aufgaben meistern wollten, wenn wir nicht auch diejenigen auf Augenhöhe mit einbanden, die neue Erkenntnisse geben könnten. Ein paar Telefonate bestätigten meinen Verdacht, dass Jugendliche komplett unterschätzt und überhaupt nicht wahrgenommen wurden.
Also haben meine Frau und ich mit Eigenkapital die Initiative "schülerInnen.gestalten.wandel." (www.schuelergestaltenwandel.at) gegründet. Es war höchste Zeit, den Jugendlichen endlich auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen zuzuhören, statt ihnen zu sagen, was richtig oder falsch ist. Dabei haben die jungen Talente die Möglichkeit, mit Entscheidungsträgern über wichtige Themen zu diskutieren und ihre Ideen, Kritik, Lösungen und Wünsche kundzutun, an Veranstaltungen und Projekten mitzuwirken und bei wichtigen Entscheidungen mitzureden.Wieder machte ich die Erfahrung, ausgelacht und nicht ernst genommen zu werden. Aber ich hielt an dieser Idee fest, und aus drei teilnehmenden Unternehmen sind bis heute mehr als 200 geworden. Und die Tatsache, dass meine Idee von vielen kopiert wurde, ist ein schöner Beweis dafür, dass ich doch von mehr Menschen ernst genommen wurde als ursprünglich angenommen.Warum ich Ihnen diese ganze Geschichte erzähle? Ganz einfach: um Ihnen Mut zu machen. Es ist vollkommen egal, wo Sie geboren wurden, was Sie schon erlebt haben oder welchem Beruf Sie nachgehen. Wichtig ist, dass Sie an sich glauben, fest Ihre Ziele verfolgen und sich von niemandem beirren lassen, auch wenn Sie ausgelacht und nicht ernst genommen werden - und vielleicht auch noch länger sitzen müssen. Ich verfügte damals weder bei der Spendenaktion noch bei der Gründung der Initiative über ein bestehendes Netzwerk. Ich machte einfach einen Schritt nach dem anderen und bewegte mich vorwärts. Also packen Sie es an! Welche Idee möchten Sie umsetzen? Los geht’s!