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Pacta sunt servanda

Von Dmitrij Ljubinskij

Gastkommentare

Ein Jahr nach dem Pariser Ukraine-Gipfel sind nur zwei von sieben Maßnahmen teils umgesetzt.


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Am 9. Dezember wird bereits ein Jahr seit dem Gipfel von Paris im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Russland und Ukraine) vergangen sein. Es ist also an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu evaluieren, wie es um die Verwirklichung der dort getroffenen Vereinbarungen in Wirklichkeit steht. Alle anderen Probleme der gegenwärtigen Ukraine, wie etwa die Behandlung der russischen Muttersprache für 40 Prozent der Bevölkerung, werde ich hier ausklammern.

Die "Schlussfolgerungen" des Gipfels von Paris beinhalteten sieben konkrete Maßnahmen, die bis zum April 2020 realisiert werden sollten. Was ist also zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt worden? Nackte Tatsachen zeugen, dass nicht gerade viel passiert ist: Nur zwei Punkte sind, wenn auch nur teilweise, umgesetzt worden.

Erstens: Im Dezember 2019 und im April 2020 fand ein begrüßenswerter Austausch von 234 Gefangenen zwischen Kiew und dem Donbass statt. Dabei ist die ukrainische Seite ihren Verpflichtungen nicht vollständig nachgekommen und hat einige der ehemals Inhaftierten nicht von der Strafverfolgung freigestellt.

Zweitens: Im Juli 2020 hat die Minsker Kontaktgruppe mit großer Mühe trotz Gegenwirkung von Kiew die "Maßnahmen zur Verstärkung des Waffenstillstandes" genehmigt, diese werden aber nur zum Teil eingehalten.

Die übrigen fünf wichtigen Vereinbarungen bleiben ausschließlich wegen der Position der Ukraine unverwirklicht. Vor allem weigert sich Kiew, mit dem Donbass über die rechtlichen Aspekte des besonderen Status der Region zu verhandeln, und es fehlt immer noch die Implementierung der sogenannten Steinmeier-Formel (benannt nach dem jetzigen deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, Anm.), die das Inkrafttreten des Gesetzes über den besonderen Status am Tag der Regionalwahlen vorsieht, ins ukrainische Recht.

Leider werden wir immer wieder damit konfrontiert, dass die ukrainische Seite grundlegende Prinzipien im Sinne von "Pacta sunt servanda" jedes Mal anders zu deuten versucht. Es stellt sich die logische Frage, ob die Machthaber in Kiew an der Bewältigung des inneren Konfliktes ernsthaft interessiert sind und Präsident Wolodymyr Selenskij mit seiner Mannschaft überhaupt imstande ist, die Erfüllung der Verpflichtungen des Normandie-Formats zu gewährleisten.

Ständig nur Ausreden statt Umsetzung der Beschlüsse

Statt der Umsetzung der Beschlüsse der Staatsoberhäupter der vier Länder hören wir aus Kiew ständig nur Ausreden. Versuche, die schwer ausgehandelten und klar definierten Schritte des Maßnahmenpaketes zu desavouieren, gehören wohl auch zu dieser Strategie. Das Fehlen des politischen Willens kann man nicht einfach durch immerwährende Beschuldigungen Moskaus an allen Todsünden unendlich tarnen oder ersetzen. So hat die Ukraine vor kurzem den "Joint Steps Plans" präsentiert, der den Geist und den Inhalt der Minsker und Pariser Vereinbarungen vollständig einseitig konterkariert.

Der Objektivität halber darf ich auf die jüngsten Dokumente der OSZE-Sonderbeobachtermission aufmerksam machen. So meldet die Mission eine Zuführung von ukrainischer Militärtechnik zur Konfliktzone - nur in der jüngsten Zeit wurden mehr als 70 Panzer und dutzende Großkalibergeschosse herangeschafft. Von wem die Aggression ausgeht, zeigt auch der Bericht der Mission über tragische Opfer unter der Zivilbevölkerung. Demnach entfallen fast 75 Prozent der Gesamtzahl der Opfer von Beschuss zu beiden Seiten der Kontaktlinie auf die Einwohner der Gebiete, die nicht von Kiew kontrolliert werden. Insgesamt wurden im Zeitraum von Anfang 2017 bis September 2020 in der Region Donetsk 750 Zivilopfer verzeichnet, in der Region Lugansk waren es 196.

Eigene politische Interessen scheinen den Politikern in Kiew doch wichtiger zu sein als das Ende des Krieges. Unsere Partner in Berlin und Paris sollten diese Tatsache eindeutiger klarstellen. Somit rückt auch die Möglichkeit eines weiteren Normandie-Gipfels immer weiter in die Ferne. Denn Verhandlungen haben nur dann Sinn, wenn auch alle Seiten bereit sind, die Beschlüsse, die dabei ausgehandelt werden, umzusetzen. Danach sieht es im Moment leider nicht aus.