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Pädophilie-Vorwürfe erreichen grünen Spitzenkandidaten

Von Lucas Deimann

Politik

Trittin unterstützte Pädophilie-Passage in Kommunalwahlprogramm.


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Berlin. Für Deutschlands Grüne hätte schon vor eineinhalb Jahren Bundestagswahl sein müssen: Damals erreichte die Partei in Umfragen 23 Prozent der Stimmen auf Bundesebene, ihr historisches Popularitätshoch. Doch je näher die Wahlen rücken, desto schlechter werden die Prognosen für die Grünen. Seit Anfang September tummeln sie bundesweit bei nur noch rund zehn Prozent. Ein Wert, der ihnen auch in Bayern vorausgesagt worden war - am Sonntag fiel die Partei jedoch deutlich darunter, sie erreichte nur 8,6 Prozent. Das Popularitätstief könnte sich nun noch weiter verschärfen, nachdem Vorwürfe rund um die Pädophilie-Debatte nun den Spitzenkandidaten der Grünen Jürgen Trittin erreichen.

Der Politologe Franz Walter wurde im Mai von den Grünen beauftragt, die Vergangenheit der Partei in ihrer Gründungsphase, den 1980er Jahren, aufzuarbeiten. Damals gab es innerhalb der Partei Interessensgruppen, die sexuelle Handlungen mit Kindern unter Straffreiheit stellen wollten, wenn diese ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt zustande kamen.

Diese Gruppen waren auch innerhalb der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) in Göttingen aktiv, bei der Jürgen Trittin als Stadtratskandidat fungierte. Trittin unterzeichnete 1981 das Kommunalwahlprogramm der AGIL, das auch die Forderung nach der Straffreiheit für sexuelle Handlungen mit Kindern enthielt, mit dem Kürzel V.i.S.d.P: "Verantwortlich im Sinne des Presserechts." Trittin bedauerte am Montag die Vorgänge und übernahm die Verantwortung. Eine Straffreiheit für Missbrauch "kann es nicht geben", stellte er unmissverständlich klar .

Die Vorwürfe gegen die Grünen kommen für die Partei zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Eine Woche vor der Bundestagswahl liefern sie den politischen Gegnern willkommene Wahlkampfmunition.

Neben der Pädophilie-Debatte wirft auch die derzeit geführte Steuerdiskussion einen Schatten auf den Wahlkampf der Grünen. Sie sind die einzige Partei, die offen für Steuererhöhungen eintritt, alle anderen Fraktionen vertreten Steuersenkungen, selbst die SPD ist bei dieser Thematik in Richtung Schwarz-Gelb umgeschwenkt. Trittin sieht darin einen Versuch der SPD, sich einer großen Koalition anzunähern, nachdem die zunächst angestrebte rot-grüne Koalition rechnerisch immer unwahrscheinlicher wird. Selbst auf die grüne Stammwählerschaft wirkt die Diskussion um neue Steuern abschreckend, da diese traditionell aus höheren Einkommensschichten stammt.

Während die Grünen nach dem Bayern-Fiasko nun auch durch die Enthüllung in der Pädophilie-Causa und die Steuer-Debatte weitere Stimmen verlieren könnten, festigt die CDU ihre Spitzenposition. Laut Umfragen liegt sie bei 39 Prozent. Die SPD wird bei 26 Prozent der Stimmen gehandelt. Die FDP bleibt auch nach dem Bayern-Debakel, mit nur 3,3 Prozent, zuversichtlich und appelliert nun an die CDU Wähler und deren Zweitstimmen, um ihr ambitioniertes Wahlziel zu erreichen die Grünen zu überholen, und Deutschlands drittstärkste Partei zu stellen. Die Linkspartei, mit der die SPD eine Koalition kategorisch ausgeschlossen hat, erreicht laut Umfragen momentan 9 Prozent der Stimmen.