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Pakete schnüren, Pakete öffnen

Von Brigitte Pechar

Wirtschaft

ÖGB-Chef Foglar und Industriellen-Präsident Kapsch im Schlagabtausch über längere Arbeitszeiten, Kompensationen und Rosinenpicken.


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Wien. "Der 12-Stunden-Tag für alle wird nicht kommen." ÖGB-Präsident Erich Foglar ärgert sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" über diverse Interpretationen der vergangenen Tage zu diesem Thema. Auch der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, sagt: "Wir haben uns darauf geeinigt, was von Anfang an unser Ziel war: den 12-Stunden-Tag zu ermöglichen." Das bedeute nicht, dass 12 Stunden zur Regel werden, und es gehe auch nicht darum, Überstunden billiger zu machen. Darin sind sich Kapsch und Foglar sogar einig.

ÖGB: Täglich längere Arbeit, dafür auch mehr Urlaub

Allerdings endet die Einigkeit der beiden damit. Denn Foglar will die fallweise Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden nur in einem Gesamtpaket mit mehreren arbeitsrechtlichen Aspekten und vor allem der sechsten Urlaubswoche für alle ab dem 25. Berufsjahr. "Für uns geht das nur im Gesamtpaket. Das kann für alle ein Win-win-Paket werden", sagt der ÖGB-Präsident. "Wenn einer auf die Idee kommt, Rosinen zu picken, dann kommt nichts. Dann werden wir das nicht tun", betont Folgar.

Was wiederum auf der anderen Seite, bei der Industriellenvereinigung, nicht gerade gut ankommt. "Die Öffnung des Arbeitszeitgesetzes ist für die Industrie wirklich wichtig. Aber Kompensationen dafür gibt es keine, weil es ja keine Schlechterstellung ist", sagt Kapsch. "Ich sehe nicht ein, warum in diesem Land jeder Punkt mit einem anderen in ein Paket gepackt werden muss."

Die Regierung hat in ihrem Arbeitsprogramm im Kapitel "Wachstum und Beschäftigung für Österreich" - das Kapitel wurde von Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl federführend verhandelt - eine Reihe von arbeitsrechtlichen Änderungen ausgearbeitet. Wichtigste Punkte dabei: die Möglichkeit, 12 Stunden am Tag zu arbeiten. Allerdings ist dies nur im Zusammenhang mit Dienstreisen und bei Gleitzeit vorgesehen. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 50 Stunden soll dabei erhalten bleiben, ebenso wie Überstundenzuschläge. Lehrlinge sollen bei passiver Reisezeit, also wenn sie mitfahren, bis zu zehn Stunden arbeiten dürfen.

"Sehr viele Arbeitnehmer wollen länger arbeiten, damit sie dann länger Freizeit haben", sagt Foglar. Die Gleitzeit sei das höchste Selbstbestimmungselement der Arbeitnehmer und diesen Rahmen werde man auf 12 Stunden ausweiten. Auch bei Dienstreisen sei das sinnvoll. Denn wenn man jetzt eine Anreisezeit von zweieinhalb Stunden habe und dann eine Arbeitszeit von sieben Stunden, könnte der Arbeitnehmer gar nicht mehr die Heimreise antreten. "Das will niemand. Daher ist die Ausweitung bei Dienstreisen sinnvoll", sagt Foglar. Auch für Lehrlinge sei eine Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zehn Stunden sinnvoll. Ein Lehrling dürfte sonst zu Arbeiten, die eine Anreisezeit von einer Stunde haben, gar nicht mitgenommen werden. Das ist auch aus Sicht der Gewerkschaft nicht gescheit. "Das gehört bereinigt", sagt Foglar.

Allerdings sei eine tägliche Höchstarbeitszeit von 12 Stunden nur möglich, wenn der Kollektivvertrag das vorsehe und es eine Gleitzeitvereinbarung in den Betrieben gebe, erläutert der ÖGB-Präsident. Gleitzeit gilt in Österreich derzeit für 700.000 (laut Wirtschaftskammer) und 800.000 (laut Gewerkschaft GPA-djp) Arbeitnehmer.

Jetzt geht es darum, das und noch eine Reihe anderer arbeitsrechtlicher Details in ein Gesetzeswerk zu gießen. Arbeits- und Wirtschaftsministerium sowie ÖGB, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung verhandeln. Foglar sieht diese Gespräche noch nicht am Ende. Es eilt aus seiner Sicht auch nicht, weil eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Aspekte berührt würden, die dann für viele Jahre Geltung haben. "Da soll man sich Zeit lassen, um alles in Ruhe auszuarbeiten."

Die Gewerkschaft pocht nämlich auf ein Gesamtpaket. Darin enthalten soll laut Foglar auch eine Transparenz bei All-In-Verträgen und die Einschränkung von Konkurrenzklauseln sein. Und als wichtigste Forderung: die Anrechnung von Vordienstzeiten für einen erhöhten Urlaubsanspruch.

Derzeit haben Arbeitnehmer erst nach 25 Jahren im selben Betrieb Anspruch auf sechs Wochen Urlaub. "Aber diese Zeiten, wo die Menschen ihr gesamtes Arbeitsleben in einem Unternehmen verbringen, sind vorbei. Wir müssen daher eine Regelung finden, dass Vordienstzeiten für den Urlaub angerechnet werden, auch wenn der Arbeitgeber gewechselt wird", sagt der ÖGB-Chef. Er kann sich allerdings für einige Neuregelungen Übergangsfristen im Gesetz vorstellen. "Beim Urlaub wird ein Stufenplan notwendig sein."

"Das alles war als Paket nie vereinbart", sagt jedoch IV-Präsident Kapsch, er stellt klar: "Beim Urlaub sind wir strikt dagegen." Es könne nicht sein, dass bei diesen Verhandlungen am Ende wieder höhere Kosten für die Unternehmen herauskämen. Die Gesamtarbeitszeit sei in Österreich ohnehin nicht sehr hoch im europäischen Vergleich. Schon jetzt hätten die Arbeitnehmer fünf Wochen Urlaub plus 13 Feiertage und natürlich die Wochenenden.

Darüber hinaus macht Kapsch darauf aufmerksam, dass schon jetzt viele Urlaubstage nicht abgebaut würden. Das mache mit Sicherheit hunderte Millionen Euro bei den Rückstellungen in den Unternehmensbilanzen aus. "Das Horten von Urlauben ist in Österreich ein Volkssport", kritisiert Kapsch und rät den Arbeitnehmern, im eigenen Interesse, ihren Urlaub auch zu konsumieren.

IV: Die Gesamtarbeitszeit darfnicht weniger werden

"Klar ist, die Gesamtarbeitszeit kann man nicht senken, dann haben wir das nächste Problem auf dem Tisch." Das würde nur zum Verlust von Arbeitsplätzen führen und die Abwanderung der Industrie weiter vorantreiben. Schon jetzt, sagt der IV-Präsident, zeige die Entwicklung der Investitionen, dass in Österreich hauptsächlich in Erhaltung und Rationalisierung investiert werde. In Deutschland dagegen gehe ein Großteil der Investitionen in Erweiterung. "Die Arbeitskosten in Österreich sind überproportional gestiegen", allerdings hätten die Arbeitnehmer nicht den Profit. "In den vergangenen Jahren sind 60 Prozent der Lohn- und Gehaltserhöhungen an den Staat geflossen", erklärt Kapsch.