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Pakistan fürchtet Konflikte mit den paschtunischen Afghanen

Von Peter Mackler

Politik

Islamabad - Wenn heute, Dienstag, die unterschiedlichen afghanischen Verhandlungspartner in Bonn zusammenkommen, um über die Zukunft ihres Landes zu beraten, werden vor allem die Anrainerstaaten Afghanistans das Geschehen auf dem Petersberg aufmerksam verfolgen. In dem zentralasiatischen Konfliktgebiet vertreten sie seit Jahrhunderten alle auf die eine oder andere Weise ihre eigenen Interessen: Pakistan, Iran, Indien, China und Russland.


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Für Pakistan ist mit dem Einmarsch der Nordallianz in Kabul das schlimmste Szenario Wirklichkeit geworden. Das Anti-Taliban-Bündnis ist Islamabad gegenüber unverhohlen feindlich eingestellt. Zudem könnten im Grenzgebiet ernste Probleme entstehen, wenn die afghanischen Paschtunen sich angesichts des Sturzes der Taliban von ihren pakistanischen Stammesgenossen verraten fühlen sollten. Islamabad setzt sich derzeit mit Nachdruck für eine angemessene Vertretung der paschtunischen Bevölkerungsmehrheit in einer Nach-Taliban-Regierung ein. Aber der bis vor kurzem Taliban-freundliche Kurs mindert die Einflussmöglichkeiten der pakistanischen Regierung beträchtlich. Am meisten fürchtet Islamabad jedoch, dass die Nordallianz und Indien ein anti-pakistanischen Bündnis schmieden könnten.

Der zweite mächtige Nachbar Iran verurteilte zwar die US-Angriffe auf Afghanistan, unterstützte aber zugleich die Nordallianz aktiv. Als mehrheitlich schiitischer Staat hatte der Iran das sunnitische Taliban-Regime nie anerkannt. Nach dem Sturz der Taliban eröffnete es als erstes Land seine diplomatische Vertretung in Kabul wieder. Nach Einschätzung politischer Beobachter versucht Teheran jetzt vor allem, den wachsenden Einfluss der USA in Afghanistan einzudämmen.

Russland wiederum ließ keinen Zweifel daran, dass es die Bildung einer neuen Regierung massiv beeinflussen will. Dabei wird es sich vor allem für eine starke Vertretung der Fraktionen der Nordallianz einsetzen, die es fünf Jahre lang im Kampf gegen die Taliban unterstützte. Zwar befürwortet Moskau eine Beteiligung aller ethnischer Gruppen in einer neuen afghanischen Regierung. Es befürchtet aber, dass die westlichen Mächte die Interessen Islamabads zu stark berücksichtigen und eine überproportionale Vertretung der Paschtunen dulden könnten.

Wie Russland und der Iran unterstützte auch Indien die Nordallianz. Im Gegensatz zu den anderen Nachbarstaaten befürwortet Neu Delhi jedoch die Bildung einer Regierung unter der Ägide der Vereinten Nationen. Indien will am Wiederaufbau des Landes teilhaben und signalisierte seine Bereitschaft, der afghanischen Bevölkerung dabei tatkräftig unter die Arme zu greifen. Besorgt zeigt sich die Regierung allerdings angesichts der Präsenz islamistischer Extremisten und Terroristen in Afghanistan. Neu Delhi, das Pakistan vorwirft, den Kampf der kaschmirischen Separatisten zu unterstützen, misstraut vor allem dem Engagement seines verfeindeten Nachbarn im Kampf gegen den Terrorismus.

Der Umbruch in Afghanistan versetzt nicht zuletzt China in Unruhe. Peking befürchtet, dass die dortigen Spannungen auch auf die autonome Region Xinjiang übergreifen könnten, wo die uigurische Minderheit für die Schaffung eines unabhängigen Staates kämpft. Die kommunistische Führung hegte den Verdacht, dass die Taliban die muslimische Unabhängigkeitsbewegung finanziell unterstützten.