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Pakistan im Kriegszustand

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Kampf gegen radikalislamische Taliban eskaliert. | Neu Delhi. Pakistan befindet sich im Kriegszustand: Schulen und Universitäten im ganzen Land sind seit Tagen geschlossen. So gut wie täglich gibt es irgendwo einen neuen Selbstmordanschlag oder einen anderen Terrorangriff. Es ist schwer, mit dem Zählen noch hinterher zu kommen.


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Am Freitag tötete ein Selbstmordattentäter acht Menschen, als er sich neben einem Stützpunkt der pakistanischen Luftwaffe in Kamra, nur 45 Kilometer von der Hauptstadt Islamabad entfernt, in die Luft sprengte. Ein paar Stunden später explodierte eine Bombe in Peshawar, im Nordwesten des Landes, und verletzte mindestens 15 Menschen.Am Tag zuvor war ein hoher pakistanischer Offizier in seinem Dienstwagen in Islamabad zusammen mit seinem Fahrer erschossen worden. Am Dienstag kamen bei einem Doppel-Anschlag auf den Universitätscampus der Hauptstadt vier Menschen ums Leben. Alleine im Oktober starben in Pakistan bislang fast 200 Menschen bei Terror-Attentaten.

Mit den täglichen Anschlägen, so scheint es, wollen die radikal-islamischen Kämpfer der Bevölkerung die Militär-Operation in Süd-Waziristan, der Hochburg der pakistanischen Taliban, gründlich verleiden. Vor einer Woche begann die pakistanische Armee ihre Offensive mit dem klangvollen Namen "Weg zur Erlösung". Doch Zweifel bleiben, wie Pakistan es schaffen will, mit nur 28.000 Soldaten gegen rund 10.000 hochgerüsteten Guerilla-Kämpfer anzukommen, die dort ihre Heimat haben.

Selektives Vorgehengegen Guerilla?

Um den Rücken für die Aktion frei zu haben, hat die Armee zuvor mit zwei anderen Terror-Gruppen Frieden geschlossen: den beiden Taliban-Verbände unter Maulvi Nazir und Hafiz Gul Bahadur, die in Nord-Waziristan operieren. Doch die Mehrzahl der von unbemannten US-Flugzeugen getöteten Taliban- und Al-Kaida-Anführern stammen aus dem von Nazir und Bahadur kontrollierten Gebiet. Weil die Armeeoffensive auch die Haqqani-Gruppe ausspart, die hinter dem Attentat auf die indische Botschaft in Kabul stecken soll, befürchtet etwa Indien bereits, Pakistan wolle nur die anti-pakistanischen Taliban schwächen und die anderen Terror-Outfits weiter schonen.

In den letzten zehn Jahren habe sich mit Duldung und manchmal auch mit Hilfe aus dem pakistanischen Sicherheitsapparat ein "übles Gebräu islamistischer Militanz" entwickelt, das nur noch wenige Experten durchschauten, so meint Gregor Enste von der Heinrich-Böll-Stiftung im pakistanischen Lahore. Doch immer noch fällt es Pakistan schwer, den Feind im Inneren auch also solchen anzusehen. Der Krieg gegen die terroristischen Glaubensbrüder, die mit Kalaschnikows und Sprengstoffwesten Pakistan zerstören wollen, stürzt das islamischen Landes in eine Identitätskrise.