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Pakistan vor Zerreißprobe

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Nach Mord an Benazir Bhutto drohen alte Konflikte wieder aufzubrechen. | NeuDelhi. Die Szene war gespenstisch. In Lahore, der Wirtschaftsmetropole Pakistan, standen die Menschen noch unter dem Schock der Ermordung von Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto. Da wurden schon eilig Clubs, Restaurants und Läden geschlossen. Auf den Straßen brannten Autos, aufgebrachte Menschen beschimpften lautstark Präsident Pervez Musharraf. Der Strom fiel aus und tauchte die neun Millionen-Metropole ins Dunkel.


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Bei einer Wahlkampfveranstaltung am Donnerstag hatte ein Attentäter die Politikerin kaltblütig erschossen und sich dann selbst in die Luft gesprengt. Darauf erschütterte eine Welle der Gewalt das islamische Land. Nach offiziellen Angaben starben 32 Menschen bei Unruhen und Straßenschlachten. 16.000 Soldaten wurden in die Provinz Sindh, der Heimat von Bhutto, gesandt, um dort für Ruhe zu sorgen. In der Hafenstadt Karachi erhielt die Polizei den Befehl, Unruhestifter sofort zu erschießen.

"Benazir stand auf der Todesliste von Al Kaida ganz oben, erklärte Pakistans Innenministerium. In der Tat war die 54-Jährige mehrfach gewarnt worden, nicht in ihr Heimatland zurückzukehren. Sie tat es dennoch und musste sterben. Auch wenn kaum je endgültig geklärt werden wird, wer den Anschlag verübt hat, so ist sicher, dass die islamischen Extremisten kaum jemanden mehr gehasst haben als Bhutto. Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr sie die Taliban und die Islamisten verachtet.

Kein Alternativkandidat

Die Regierung erklärte zwar, sie wolle weiter an dem geplanten Wahltermin am 8. Januar festhalten. Doch so recht mag das keiner in Pakistan glauben. Bhuttos Partei, die PPP, hat ihre Spitzenkandidatin und ihr eigentliches Zugpferd verloren. Es gibt niemanden, der so schnell Bhuttos Platz einnehmen könnte. Die Politikerin hatte sich zur Parteiführerin auf Lebenszeit wählen lassen. Alternativ-Kandidaten wurden gar nicht erst aufgebaut.

Die Krise ist ein Triumph für die Islamisten, die seit der Erstürmung der Roten Moschee im Juli hunderte Menschen in Selbstmordanschlägen getötet haben.

Was der Tod von Bhutto für Präsident Musharraf bedeutet, ist noch nicht absehbar. Er hätte einen guten Grund, erneut den Notstand zu verhängen und die Parlamentswahlen für geraume Zeit zu verschieben. Das könnte eine Erholungspause für den angeschlagenen Präsidenten sein.

Doch der Ärger über den Tod Bhuttos könnte ihm auch zum Fallstrick werden. Wenn er die Unruhen im Land nicht unter Kontrolle bringt, könnte die Armee ihn in den vorzeitigen Ruhestand schicken..

Der Mordanschlag könnte auch die alten Konflikt in Pakistan zwischen den Provinzen, Sprachgemeinschaften und Volksstämmen wieder aufbrechen lassen.