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Eine Splittergruppe der pakistanischen Taliban wollte offenbar gezielt zu Ostern christliche Familien in einem beliebten Park mit Kinderspielplatz in Lahore töten - die Mehrheit der Opfer sind Muslime.
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Islamabad. Nach dem Oster-Anschlag der Taliban in einem belebten Park im pakistanischen Lahore hat die Suche nach den Drahtziehern begonnen. Pakistans Militär kündigte eine neue Offensive gegen die Terroristen an. Zuvor hatte sich die Taliban-Splittergruppe Jamaatul Ahrar zu dem Anschlag auf einen Kinderspielplatz am Eingang der Grünanlage bekannt, bei dem rund 250 Menschen verletzt und mindestens 72 getötet wurden - darunter 35 Kinder. Viele der Opfer waren Familien, die im beschaulichen Gulshan-i-Iqbal-Park in einem wohlhabenden Viertel von Lahore den Ostersonntag verbrachten.
Als Täter wurde mittlerweile ein 28-Jähriger aus Süd-Punjab identifiziert. Medienberichten zufolge war er Lehrer an einer Religionsschule. Rekrutiert hatte ihn die pakistanische Taliban-Gruppe Jamaat-ul-Ahrar. Ein Sprecher der Terrorgruppe erklärte, dass die Tat sowohl gegen Christen gerichtet gewesen sei als auch gegen die Regierung, die ihre Militäroffensiven gegen die Taliban verstärkt hat. Allerdings: Die Mehrheit der Toten seien Muslime, erklärte Polizeioffizier Haider Ashraf. "Alle gehen in diesen Park."
Pakistans Armee kündigte umgehend eine Offensive gegen die Taliban in der Punjab-Provinz, deren Hauptstadt Lahore ist, an. Das Militär führt im Moment eine ähnliche Operation gegen islamistische Kämpfer in Nordwesten des Landes - nahe der afghanischen Grenze - durch.
Laut Polizei hatte sich der Selbstmordattentäter gegen 18.30 Uhr Ortszeit auf einem belebten Kinderspielplatz am Eingang des Parks in die Luft gesprengt. Er soll an die zehn Kilo Sprengstoff zur Explosion gebracht haben. Die Detonation war so stark, dass sie noch Kilometer entfernt zu spüren war. Augenzeugen berichteten von schrecklichen Szenen am Anschlagsort, wo verzweifelte Familien zwischen Leichenteilen und Trümmern von Kinderschaukeln und Karussells nach ihren Angehörigen suchten. Verletzte wurden mit Taxis und Auto-Rikschas in Krankenhäuser gebracht, weil es an Ambulanz-Fahrzeugen fehlte. Vor den Krankenhäusern der Metropole suchten auch am Montag noch Menschen nach vermissten Angehörigen. Die Provinzregierung ordnete drei Tage offizielle Trauer an. Geschäfte, Behörden und Schulen blieben geschlossen.
Kurze IS-Zugehörigkeit, jetzt wieder als Taliban operierend
Die Taliban-Splittergruppe Jamaat-ul-Ahrar hatte sich nach ihrer Abspaltung von den pakistanischen Taliban im Jahr 2014 kurzzeitig zum weit radikaleren Islamischen Staat bekannt, der vor allem in Syrien und im Irak operiert. 2015 war die Organisation aber zu den pakistanischen Taliban zurückgekehrt, die eine Mantelgruppe für verschiedene Terrorzellen darstellen.
Das islamische Pakistan mit etwa 190 Millionen Einwohnern ist seit mehr als einem Jahrzehnt Schauplatz religiöser Gewalt. Die zunehmende Radikalisierung einer einstmals liberalen Gesellschaft und das wachsende Netz islamistischer Aufständischer erzeugen ein Klima der Angst und Verfolgung. Christen stellen eine religiöse Minderheit in Pakistan dar - etwa zwei Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum christlichen Glauben. In der Zehn-Millionen-Stadt Lahore sind um die sechs Prozent der Einwohner Christen.
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Attentate radikaler Islamisten auf Kirchen und christliche Einrichtungen. In Lahore kamen im März 2015 bei einem Anschlag auf eine katholische Kirche um die 15 Menschen ums Leben. Das Attentat soll ebenfalls auf das Konto der Taliban-Splittergruppe Jamaat-ul-Ahrar gehen.
Der Anschlag am Ostersonntag zeigt, dass Pakistans Kampf gegen religiöse Extremisten bisher kaum Erfolg hat. Am Sonntagmorgen lieferten sich in der Hauptstadt Islamabad hunderte islamische Hardliner eine Straßenschlacht mit der Polizei. Sie protestierten gegen die Hinrichtung von Mumtaz Qadri, dem Mörder des ehemaligen Gouverneurs Salman Taseer. Der liberale Politiker hatte sich für eine wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilte Christin eingesetzt und war deshalb von Qadri, seinem eigenen Bodyguard, ermordet worden.