Rätsel um den Anschlag auf das Marriott-Hotel. | Neu Delhi. Nur wenige hundert Kilometer westlich von Islamabad stehen die MQ-1 und MQ-9-Drohnen der US-Luftwaffen mit ihren Hellfire-Raketen, vor der Küste von Karachi liegt der Flugzeugträger USS Ronald Reagan der amerikanischen Marine: Pakistan wird zum neuen Schauplatz im Anti-Terror-Krieg. Spätestens seit dem Anschlag auf das Marriott-Hotel in Islamabad am vergangenen Samstag, bei dem mindestens 53 Menschen starben, ist deutlich geworden, dass das Land nicht mehr Krieg gegen Al-Qaida und Taliban-Terroristen führt, sondern dass ein neuer Krieg tobt: Der Krieg der Terroristen in Pakistan.
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Zu dem blutigen Attentat bekannte sich die Fidayeen-i-Islami, eine wenig bekannte militante Gruppe, die lose den pakistanischen Taliban angehört, deren Kopf Baitullah Mehsud ist. Mehsud wird unter anderem beschuldigt, die Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto ermordet zu haben. Doch auch nach dem Bekenntnis reißen in Pakistan Spekulationen darüber nicht ab, wen die Terroristen haben treffen wollen.
Für Verwirrung sorgte die pakistanische Regierung. Zunächst erklärte das Innenministerium, der Laster mit der Tonne Sprengstoff an Bord habe eigentlich das Parlament, in dem Zardari eine Rede hielt, erreichen wollen, habe sich aber, frustriert von dem großen Sicherheitsaufkommen vor der Volksvertretung, dem Marriott zugewendet. Doch das hätte bedeutet, dass der Laster mit Baumaterial schon stundenlang in der stark bewachten Gegend zwischen Regierungssitz und Hotel herumgekurvt sein musste, denn der Anschlag erfolgte lange nach Ende der Parlamentssitzung. Einen Tag später erklärte das Innenministerium dann plötzlich, es sei um die Zeit des Attentates ein Abendessen mit Pakistans Präsident Asif Ali Zardari und anderen hochrangigen Politikern geplant gewesen, das man aber in letzter Sekunde an einen anderen Ort verlegt habe. Allerdings weiß das Hotel weder von einer Reservierung noch einem solchen Diner-Plan.
Die Fidayeen-i-Islami selbst haben in ihrer Bekenner-Nachricht erklärt, sie hätten rund 250 US-Marines und Nato-Vertreter treffen wollen, die im Hotel residierten. Doch der Hotelbesitzer bestreitet eine solche Präsenz amerikanischer Truppen. Dennoch ist die Rede von mysteriösen Stahlcontainern, die die Eliteeinheit vier Tage vor dem Inferno in die Herberge geschafft haben soll. Die "Asia Times Online" spekuliert, ob die Amerikaner unweit von Islamabad nicht wieder ihre frühere Basis des Geheimdienstes CIA einrichten, die sie 1999 aufgegeben hatten.
Doch auch ohne Gerüchte über Stahlcontainer und CIA-Basen fühlt sich Pakistan immer mehr wie im Krieg. Die Sicherheitslage hat sich rapide verschlechtert. Nach dem Marriott-Attentat strichen die British Airways ihre Flüge nach Pakistan, die amerikanischen Schulen in Islamabad, Lahore und Karachi sollen auch geschlossen bleiben.