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Obwohl die Wirtschaft am Boden liegt, ist sie im Wahlkampf ein Randthema.
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Islamabad. "Kabari-Walla, Kabari-Walla!"-Rufe schallen regelmäßig durch die Wohngebiete der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Der Ruf ist ein Zeichen für die Bewohner, rasch hinauszulaufen, denn der Abfall-Mann ist da. Die Herren, meist auf einem Fahrrad unterwegs, nehmen den Bewohnern von leeren Flaschen über Dosen bis hin zu alten Zeitungen alles ab. Und geben dafür sogar noch Geld. Denn: Sie können es mit minimalem Gewinn weiterverscherbeln.
Was ein wertvoller Beitrag für die Umwelt ist, ist für die Kabari-Wallas die einzige Möglichkeit zu überleben. Sie sind nur ein Beispiel für einen großen Teil der Bevölkerung Pakistans, der sich angesichts der andauernden Flaute auf dem Arbeitsmarkt mit Eigeninitiative als Kleinstunternehmer verdingt. Viele müssen mit ein bis zwei Dollar pro Tag ihr Auskommen finden. Aber in der Stadt hat man immerhin noch mehr Perspektiven als auf dem Land.
Pakistan ist nach wie vor ein Agrarstaat. Der Landwirtschaftssektor trägt ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Etwa 45 Prozent der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Sie haben Glück, wenn sie von den Großgrundbesitzern einen Lohn erhalten. Nicht wenige bekommen zwei Mal im Jahr nur einen Anteil an der Ernte und leben zumeist auf Pump. Ob dies die am Wochenende anstehenden Parlamentswahlen ändern wird, bleibt fraglich. Zu lange schon verweigert die abgeschottete Elite des Landes dringende Reformen.
Immerhin, Pakistan ist der viertgrößte Milchproduzent der Welt. Zu ökonomischer Berühmtheit hat das dem Land aber bisher nicht verholfen. Made in Pakistan ist kein Label, um das sich die Weltmärkte reißen. Dabei hätte das Land, zumindest geografisch, exzellente Voraussetzungen: Mit Indien und China sind zwei der größten Absatzmärkte weltweit direkte Nachbarn des Landes. Zudem bietet die Lage am Arabischen Meer mit dem Hafen Karatschi beste Exportvoraussetzungen.
Energiekrise: Vier Prozent weniger Wachstum
Das Land leidet aber unter einem weitgehenden Stillstand bei der Umsetzung von wirtschaftlichen Reformen. Dazu gesellt sich eine anhaltende Energiekrise, die Bewohnern, aber vor allem der Industrie, die ein Viertel des BIP erwirtschaftet, zusetzt. Im Schnitt gibt es in den Städten sieben bis acht Stunden Strom am Tag, am Land sind es vier. Fabriken stehen dadurch oft stundenlang still. Die Energiekrise reduziert Experten zufolge das Wirtschaftswachstum um bis zu vier Prozent.
Auch die prekäre Sicherheitslage im Land hemmt die Wirtschaft an vielen Stellen: Experten schätzen, dass 30 bis 40 Prozent des öffentlichen Haushaltes in den Sektor Sicherheit fließen. Dieses Geld fehlt nicht nur im Bildungssektor, der mit 2,5 Prozent abgespeist wird, sondern lässt auch kaum Spielraum für Programme zur Ankurbelung der Wirtschaft. Zudem schreckt die unsichere Lage ausländische Investoren ab, die dringend benötigt werden.
Die ausländischen Direktinvestitionen sind seit 2008 rückläufig. 2012 lagen sie nur noch bei etwa 700 Millionen Dollar, ein Minus zum Vorjahr von fast 35 Prozent. Die Hoffnungen ruhen vor allem auf China. Nach dem erfolgreichen Bau und der erfolgten Übergabe des Tiefseehafens in Gwadar hofft Pakistan auf weitere Investments. Die Atommacht hat von den 2004 bis 2010 von China weltweit investierten 263 Milliarden Dollar kaum eine Milliarde abstauben können.
Pakistan konnte 2012 ein Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent verzeichnen. Dies soll Prognosen des Internationalen Währungsfonds zufolge aber bis 2018 kontinuierlich auf 2,9 Prozent absinken. Viel zu wenig, um ausreichend Arbeitsplätze für die Millionen junger Pakistaner zu schaffen, die jährlich auf den Arbeitsmarkt drängen. Seit 1990 ist die Bevölkerung um 70 Millionen auf 180 Millionen explodiert. Eine massive Landflucht stellt Städte wie Karachi (18 Millionen Einwohner) oder Lahore (10 Millionen) vor immense Probleme. Experten weisen daraufhin, dass Arbeitsplätze das beste Mittel gegen Terrorismus sind. Wenig hilfreich ist die Steuerpolitik des Landes. Die Steuerquote liegt gerade bei neun Prozent (im Vergleich: 36 Prozent in OECD-Ländern). 2012 haben zudem nur eine von 180 Millionen Pakistaner Einkommenssteuern an den Staat gezahlt. Es gelang den Regierenden bisher nicht, die Steuern landesweit so einzuziehen, dass das potenzielle Steueraufkommen auch tatsächlich erreicht wird.
Einer der wenigen Lichtblicke im Land ist eine kaufkräftige Mittelschicht, die sich über die letzten Jahre entwickelt hat. Dieser gehören mittlerweile 30 Millionen, also gut ein Sechstel der Bevölkerung, an. Ihr ist es, entgegen der Führung, die im Wahlkampf außer Energie kaum Wirtschaftsthemen anschnitt, und der Unterschicht, die sich auf Allah verlässt, wohl nicht mehr egal, wohin das Land künftig treibt.