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Pakistans Führung in Erklärungsnot

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Top-Terrorberater Obamas: Mitwissen pakistanischer Kreise liegt nahe. | Islamabad an Mordaktion nicht beteiligt. | Neu Delhi. Keine Proteste, keine brennenden amerikanischen Flaggen, keine Massendemonstrationen in Pakistans Metropolen: Einen Tag nach dem Tod von Osama bin Laden herrscht verschämte Ruhe. Der Triumph der USA nach der erfolgreichen Jagd auf den Al-Kaida-Chef droht zu einem diplomatischen Test für das Land zu werden. | Porträt Ahmed Shuja Pasha | Bin Laden getötet: USA wollen Antworten | China zweifelt nicht an Pakistan | 'Yes we can - bin Laden good bye' | UNO begrüßt Tod von Osama bin Laden | Obama und Osama - Wenn Medien irren | Spindelegger befürchtet Vergeltungsschläge


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Bin Laden war am frühen Montag Morgen von einem US-Spezialkommando erschossen worden, das mit einem Hubschrauber im Hofe seines Wohnkomplexes in Pakistan landeten, wo der Top-Terrorist angeblich bereits seit 2005 seine Zeit verbrachte.

Dass der meistgesuchte Mann der Welt unbemerkt vielleicht über Jahre hinweg in einem Haus im beschaulichen Bergstädtchen Abbottabad unweit der pakistanischen Hauptstadt hatte leben können, stößt in der pakistanischen Gesellschaft auf Unglauben. "Die Präsenz des meist gesuchten Terroristen der Welt in einer so strategisch wichtigen Stadt geht über den gesunden Menschenverstand hinaus", schrieb die Zeitung "The Nation" am Dienstag. Dies sei eine "Ohrfeige für die pakistanischen Geheimdienste". "Schockierend", kommentierte "The News".

Zuvor hatte der oberste Terrorismus-Berater des US-Präsidenten, John Brennan, nicht ausgeschlossen, dass der Al-Kaida-Boss während seines Versteckspiels Unterstützung von pakistanischer Seite erhalten habe. Es sei "unvorstellbar, dass Bin Laden kein Hilfs-Netzwerk gehabt habe, um dort über einen längeren Zeitraum hinweg zu leben".

WidersprüchlicheAussagen

Präsident Asif Ali Zardari bestritt dies selbstverständlich vehement: Pakistans Behörden seien davon ausgegangen, dass Osama bin Laden sich an einem anderen Ort aufhalte, erklärte er in der US-Zeitung "Washington Post". Das Staatsoberhaupt bestritt auch, dass pakistanische Sicherheitskräfte bei der Geheimoperation der US-Sondertruppe "Navy Seals" im Versteck Bin Ladens beteiligt waren. Die Ereignisse seien "keine gemeinsame Aktion" der USA und Pakistan gewesen, bekräftigte er. Er widersprach damit dem Geheimdienstchef des Landes, Ahmed Shuja Pasha, dass seine Organisation von der Aktion Kenntnis hatte und Teil des Prozesses gewesen sei. Aus US-Kreisen verlautete gar, dass die pakistanischen Behörden über die CIA-Operation vorab nicht einmal informiert worden seien - um diese keinesfalls nicht zu gefährden.

Im Moment ist jedenfalls eine große Portion Kreativität gefragt, um diese verschiedenen Erzählarten einer Geschichte zu vereinen, weil sie nie zusammenpassen können. Denn Pakistan kann einerseits nicht eingestehen, Osama bin Laden versteckt zu haben, denn es hat ja stets bestritten, Al-Kaida Unterschlupf und Unterstützung zu bieten.

Andererseits ist es auch peinlich, zugeben zu müssen, man habe Bin Laden in seinem Anwesen nur ein paar Meter von wichtigen Militäreinrichtungen ganz und gar nicht bemerkt. Auch die Frage, wieweit Pakistan den USA geholfen haben, den Top-Terroristen dingfest zu machen, ist nicht zu beantworten, ohne dass das Land blamiert dasteht. Sollten das US-Killerkommando einfach mit seinem Helikopter auf dem Hof von Bin Laden gelandet und dort 40 Minuten gekämpft haben, ohne dass es Armee und Polizei in Abbottabad bemerkten? Ein demütigender Schluss! Oder haben die Pakistanis am Ende den USA mitgeholfen, den Terrorfürsten zu fangen? Dann stünde Ehre und Stolz des Landes auf dem Spiel: Denn Pakistans Bevölkerung hegt zum Teil mehr Sympathien für Osama bin Laden als für Amerika und sieht Geheimoperationen der USA auf eigenem Boden nicht gerne. Zudem muss das Land befürchten, dass Al-Kaida sich mit Terror-Anschlägen rächen wird, wenn Pakistan irgendeine Unterstützung bei der Tötung Bin Ladens offiziell eingestehen würde.

In den USA überwiegen aber die Zweifel, dass es das islamische Land mit der Suche nach dem Top-Terroristen tatsächlich ernst meinte. Einige Politiker stellen gar die Militärhilfe für das Land - rund zwei Milliarden Dollar pro Jahr - in Frage. "Bevor wir nur einen einzigen weiteren Cent bewilligen, wollen wir wissen, ob Pakistan im Kampf gegen den Terror wirklich an unserer Seite steht", meint der demokratische Senator Frank Lautenberg (New Jersey). Schließlich sei das Geld ausdrücklich geflossen, um Extremisten wie Bin Laden zu bekämpfen. Viele hätten ein Problem damit, ein Land zu unterstützen, das sich nicht mit ganzer Kraft einbringe, warnte auch die Vorsitzende des einflussreichen Geheimdienstausschusses des Senats, Dianne Feinstein.

Islamabad versucht zu beschwichtigen: Man werde Versäumnisse bei der Suche nach dem Al-Kaida-Chef eingehend prüfen, hieß es.