Bis 2030 müssen Lebensmittelabfälle halbiert werden. Umweltministerium und Handelsunternehmen besiegelten gemeinsamen Plan.
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Wien. Essen im Wert von rund 300 Euro landet pro durchschnittlichem Haushalt und Jahr im Restmüll. Insgesamt werden auf diesem Weg 157.000 Tonnen Lebensmittel entsorgt. Das entspricht jener Menge, die eine halbe Million Menschen in einem Jahr konsumiert. 175.000 Tonnen sind es vom gesamten Außer-Haus-Konsum, also von Großküchen, Restaurants, Kaffeehäusern oder Hotels. Und 109.600 Tonnen jährlich sind es im Handel, die statt in die Haushalte auf den Müll kommen.
Um diesem weltweiten Phänomen entgegenzuwirken, haben sich die Vereinten Nationen (UN) bereits 2015 zum Ziel gesetzt, das Leben bis 2030 nachhaltiger zu gestalten und dadurch vor allem den Anteil der Hungernden gegen Null zu reduzieren. Österreichs Umweltminister Andrä Rupprechter hat zu diesem Zweck am Mittwoch gemeinsam mit den Handelsunternehmen Hofer, Lidl Österreich, MPreis, der Rewe Group sowie Spar AG eine Vereinbarung unterschrieben, die eine Halbierung der Menge der weggeworfenen Lebensmittel bis 2030 vorsieht.
Brot vom Vortag
Dieser Pakt, wie ihn Rupprechter bezeichnete, basiert im Wesentlichen darauf, dass die Unternehmen nicht für den Verkauf geeignete, aber noch genießbare Lebensmittel weitergeben - zum Beispiel an soziale Einrichtungen. Drei Maßnahmen sind Rupprechter zufolge für alle Partner verpflichtend: die Kooperation mit sozialen Einrichtungen, eine Schulung der Mitarbeiter und ein Bericht über die Reduktion des Lebensmittelabfalls alle drei Jahre.
Zudem können weitere fünf Maßnahmen aus einem Katalog gewählt werden. Diese reichen von Schulungen für das Personal über die Bewusstseinsbildung der Kunden bis hin zum Verkauf des Brotes vom Vortag und einem reduzierten Frischwarenangebot gegen Ladenschluss. Alle teilnehmenden Unternehmen, die Maßnahmen setzen, sollen vom Umweltministerium ausgezeichnet werden und das Logo mit dem Text "Wir retten Lebensmittel" in einem Apfel in Herzform erhalten.
In einem nächsten Schritt soll die Vereinbarung um Kriterien für die Lebensmittelindustrie und die produzierenden Gewerbe erweitert werden.
In Kooperation mit der Wirtschaft, den Konsumenten, mit Gemeinden und sozialen Einrichtungen hat das Umweltministerium bereits vor mehreren Jahren die Initiative "Lebensmittel sind kostbar" ins Leben gerufen, um eine nachhaltige Vermeidung und Verringerung von Lebensmittelabfällen herbeizuführen. Der nun geschlossene Pakt solle ein Schritt weiter in Richtung UN-Ziel sein, so der Minister. Dass nichts auf gesetzlicher Ebene passiert, erklärt Rupprechter folgendermaßen: "Wir verpflichten uns zu einem Pakt, weil es nicht für alles Gesetze, Sanktionen und Erlässe braucht. Vieles ist durch Freiwilligkeit möglich."
Die Handelsunternehmen haben bereits jetzt zahlreiche Maßnahmen unternommen, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Hofer zum Beispiel biete Produkte schon Tage vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit vergünstigt an, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin Birgit Reichetseder. Nah und Frisch und Unimarkt wiederum führen bei Frischprodukten keine Aktionen wie zwei zum Preis von einem durch, sondern reduzieren stattdessen die Preise der Einzelstücke, weil Frischwaren nicht so lange haltbar sind.
MPreis upcyclet altes Brot - und braut daraus Bier und Gin. "Aus 1000 Kilogramm Brot bekommen wir 400 Liter Gin", sagte Gudrun Pechtl, die bei MPreis das Abfallmanagement leitet. Der Gin mit dem Namen "Herr Friedrich" habe bereits Auszeichnungen für seinen Geschmack erhalten. Brotretouren würden zudem zu Tierfutter verarbeitet. Brot-, Süß- und Backwaren führen die Liste der am häufigsten weggeworfenen Lebensmittel an, gefolgt von Obst und Gemüse sowie Milchprodukten und Eiern.
"Schritte reichen nicht"
Trotz dieser bereits gesetzten Maßnahmen sei noch mehr Engagement möglich und notwendig, um das UN-Ziel zu erreichen, hieß es von den Handelsunternehmen. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, mit Flüchtlingsheimen zu kooperieren.
Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist Rupprechters Pakt zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen allerdings nicht ausreichend, um die Verschwendung von Lebensmitteln wirksam einzudämmen. "Auch wenn die angekündigten Maßnahmen des Handels grundsätzlich zu begrüßen sind, reichen die vorgestellten Schritte noch lange nicht", sagte Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Für Greenpeace fehlen vor allem Maßnahmen gegen die derzeit oft realitätsfremden Mindesthaltbarkeitsdaten und zur Reduktion von Abfällen am Feld.