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Palästinenser haben mit ihrem Votum die Karten neu gemischt

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Im Nahen Osten gibt es am Tag nach den Palästinenserwahlen viele lange Gesichter. Der in den Wahlprognosen nicht vorausgesagte Sieg der Hamas hat die Karten völlig neu gemischt und viele auf dem falschen Fuß erwischt.


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Die 1958 von Yasser Arafat gegründete Fatah-Bewegung, die bisher weitgehend allein die palästinensischen Anliegen vertrat, hat ohne ihren charismatischen Führer eine schwere Schlappe erlitten. Korruption und interne Streitereien haben die Wähler in Massen zur Hamas getrieben, die für die Palästinenser die glaubhaftere Alternative ist. Dass die Hamas bei ihrem ersten Antreten fast alle Direktmandate gewinnen konnte, zeigt, dass ihre Kandidaten einfach glaubhafter ankamen als die alte Garde nach Arafat.

Die Hamas, die gerne in einer großen Koalition mit der Fatah diese vor sich hergetrieben hätte, muss jetzt in einer von ihre gestellten Regierung zeigen, dass sie es besser machen kann. Die Vorbedingungen dafür sind nicht ideal. Israel hat bereits betont, dass es mit einer Palästinenserregierung, in der die Hamas vertreten ist, keine Gespräche führen werde. Und bis zu den israelischen Wahlen Ende März wird es auf jeden Fall dabei bleiben.

Interims-Premier Ehud Olmert sieht sich bereits dem Vorwurf ausgesetzt, dass die Regierung seines Vorgängers Ariel Sharon der Hamas auf dem goldenen Tablett des Gaza-Abzugs den Sieg beschert habe. Olmert hat zwar am Vorabend der Wahlen mit seiner Feststellung, Israel werde nicht auf Dauer über ein Gebiet bestimmen können, in dem die Mehrheit des palästinensischen Volkes lebt, der Fatah noch Wahlhilfe leisten wollen, kam aber offensichtlich zu spät. Statt der ungeliebten Fatah hat der künftige israelische Regierungschef, der vermutlich wieder Olmert heißen wird, die Hamas als Gegenüber. Früher oder später wird die israelische Regierung mit den Palästinensern weitere Verhandlungen führen müssen, unabhängig davon, wer dort in der Regierung sitzt. Seinerzeit wollte ja auch niemand in Israel überhaupt mit den Palästinensern reden.

Der Westen sieht sich mit einer Hamas-Regierung vor neue Probleme gestellt. In EU-Kreisen hofft man darauf, dass die Hamas, wenn sie erst einmal die Regierung stellt, auf Gewalt und Terror verzichtet. Dann hätte sie auch die Chance, von der Terrorliste gestrichen zu werden.

Die neue politische Konstellation in Ramallah trägt viele Ungewissheiten in sich. Die Hoffnungen, aus der schwierigen Lage im Nahen Osten herauszukommen, sind dadurch noch geringer geworden.