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Das 148-seitige Papier, das die Basis für Christian Kerns Rede in Wels bildet, sei ein Gesprächsangebot, kein fertiges Programm, meint er. Es ist trotzdem die größte politische Veränderung der SPÖ seit den späten 1980er Jahren, als sich die Partei entschloss, für einen EU-Beitritt zu sein. Kern will - und sagt das auch - eine Palastrevolution. Die Partei müsse im 21. Jahrhundert ankommen. Vor allem stellt Kern der sozialen Absicherung den Leistungsgedanken zur Seite. 1500 Euro Mindestlohn und Arbeitszeit-Flexibilisierung mit der Möglichkeit eines 12-Stunden-Tages - geht nun beides. Industrie und Kleinunternehmen, lange Jahre von der SPÖ vernachlässigt, rücken wieder ins Rampenlicht. Kern definiert eine soziale Marktwirtschaft, die den Markt genauso berücksichtigen soll wie soziale Gerechtigkeit. Spitzenforschung steht gleichberechtigt neben der Breite des Bildungsangebots.
Wenn die Volkspartei klug ist, nimmt sie die Hand, die ihr Kern ausstreckt, und hört auf, recht sinnlos Flüchtlingszahlen nach unten zu lizitieren. An der Frage, ob es 30.000 oder 17.000 sind, wird sich Österreichs Zukunft nicht entscheiden. Die wirklich entscheidende Frage wird sein, wie sehr die SPÖ selbst den Vorstellungen ihres Parteichefs inhaltlich folgen wird. Kern wird als Person sicher nicht in Frage gestellt werden. Wenn er scheitert, ist die Chance weg, aus der nächsten Wahl als stärkste Partei hervorzugehen. Die seit mehreren Wahlen andauernden Verluste in den Industrie-Bundesländern Oberösterreich und Steiermark sollten den SPÖ-Funktionären Mahnung genug sein.
Kerns Programm für "Wohlstand, Sicherheit und gute Laune" nimmt viele der von Bürgern geäußerten Ängste auf. Es ist in diesem Sinn populistisch, aber versehen mit wirtschaftspolitischen Vorschlägen, die tatsächlich Jobs schaffen können. Ein Teil davon ist recht komplex, aber in einer komplexen Welt sind vereinfachende Antworten notgedrungen falsch.
Auch die ÖVP machte bei ihrer Klausur gute Vorschläge, etwa zur Mobilisierung von Arbeitskräften. Aber es ist hoch an der Zeit, die staatliche Organisation und die ihr folgende Budgetstruktur neu zu definieren. Das hat Kern mit seinem "Diskussionspapier" gemacht und damit die SPÖ für die Wahl 2018 positioniert. Die Reaktionen darauf in den kommenden Wochen werden zeigen, wie stark die Veränderungsbereitschaft in der Politik insgesamt ist.