Istanbul. Der wegen Äußerungen zu den Massakern an den Armeniern angeklagte türkische Schriftsteller Orhan Pamuk hat die Regierung in Ankara gewarnt, ihre Beitrittsbestrebungen für die Europäische Union nicht durch einen Prozess gegen ihn zu gefährden.
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"Man kann der EU nicht beitreten, wenn man seine Schriftsteller vor Gericht bringt", sagte der diesjährige Friedenspreisträger am Sonntag in einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN Türk. Der 53-Jährige muss sich im Dezember vor einem türkischen Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft für den Autor.
Pamuk hatte im Februar einer Schweizer Zeitschrift gesagt, in der Türkei seien 30.000 Kurden und eine Million Armenier getötet worden, doch niemand außer ihm wage es, darüber zu sprechen. Nach Angaben seines Verlags sieht die Staatsanwaltschaft in Pamuks Äußerungen den Straftatbestand der "Beleidigung des Türkentums" erfüllt.
Bei den zwischen 1915 und 1917 verübten Massakern und bei Todesmärschen starben zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Armenier in Anatolien. Mehrere Länder stufen die Verbrechen als Völkermord ein. Aus Sicht der Türkei handelte es sich bei den Ereignissen dagegen um die tragischen Folgen einer Zwangsumsiedlung, die wegen des Krieges erforderlich gewesen sei.