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Panama lässt grüßen

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Wirtschaft

Der Gastgeber des Anti-Korruptions-Gipfels David Cameron nennt Nigeria und Afghanistan "korrupt". Von Kritikern muss sich der britische Premier sagen lassen, er solle erst mal "vor der eigenen Türe kehren".


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London. Schon vor Beginn des heute, Donnerstag, stattfindenden Anti-Korruptions-Gipfels in London hat sich Gastgeber David Cameron gehörig in die Nesseln gesetzt. Bei einer Party im Buckingham-Palast enthüllte der britische Premierminister der Queen, dass zu dem Gipfel "die Führer einer Reihe ganz fantastisch korrupter Länder" erwartet würden.

Ausdrücklich nahm Cameron auf die Präsidenten Nigerias und Afghanistans Bezug - und Unterhaus-Sprecher John Bercow fragte kichernd, ob beide "auf eigene Rechnung" angereist kämen. Die Bespöttelten fanden das aber gar nicht lustig: Nigerias jüngst gewählter Präsident Muhammadu Buhari, der den Kampf gegen Korruption zu einem zentralen Ziel seiner Präsidentschaft gemacht hat und heute in London eine Ansprache halten soll, nannte Camerons Bemerkung "schockierend". Die Afghanen fanden die Äußerung denkbar "unfair".

London unter Druck

Von Anti-Korruptions-Verbänden wie "Global Witness", die in London als Beobachter auftreten, musste sich Cameron sagen lassen, er solle "lieber mal vor der eigenen Haustür kehren", bevor er andere Staaten verurteile. Reformwilligen Nigerianern und Afghanen helfe es nicht, "dass Steueroasen des Vereinigten Königreichs Stillschweigen verkaufen, und dass eine Armee von Anwälten und Bankern in Plätzen wie London bereit sind, gestohlene Gelder zu transferieren oder einfach nicht hinzuschauen".

Die Kontroverse vor dem Konferenz-Auftakt ist bezeichnend für das Problem, das Cameron mit diesem Gipfel hat. Gedacht war die Zusammenkunft, als sie vor einem Jahr in Planung ging, vor allem als Kongress zur Beleuchtung von Korruption, Bestechung und Geldwäsche in aller Welt.

Nicht zuletzt nach Veröffentlichung der "Panama Papers" richtet sich das "Korruptions"-Interesse jetzt aber vor allem auf Offshore-Operationen, "dunkle Geschäfte" im internationalen Finanzbereich, und vor allem auf die Gastgeber selbst.

Die britische Regierung steht zunehmend unter Druck, mehr Licht in diese Affären zu bringen. Vor zwei Jahren sprach sich Cameron für eine öffentliche Auflistung der Eigentümer und Nutznießer von Firmen auch in britischen Überseegebieten und Kron-Dependenzen aus. Vorigen Monat steckte der Premier allerdings zurück: Es müsse weder für die Öffentlichkeit noch für Behörden "automatischen Zugang" zu solchen Registern geben.

Kritiker erklären den Schwenk damit, dass sich viele Krongebiete entschieden gegen "zu viel Transparenz" wehren. Die British Virgin Islands, die Cayman Islands und die Insel Jersey sperren sich gegen ein Eigentümer-Register. Die Isle of Man will Informationen höchstens mit behördlichen Stellen teilen, die ein "legitimes Interesse" nachweisen können.

Keines dieser Gebiete ist auf der Londoner Konferenz vertreten. Die Cayman Islands schlugen die Einladung mit den Worten aus, Camerons Bemühungen um Transparenz sei "zwecklos". Die British Virgin Islands erklärten, sie seien nicht eingeladen worden. Ebenfalls ohne Einladung blieb offenbar Panama - das freilich nach den jüngsten Enthüllungen in aller Munde ist.

Persönlich schwierig ist der Gipfel für Cameron, weil er jüngst zugeben musste, vor Amtsantritt selbst jahrelang von Offshore-Arrangements profitiert zu haben - und weil er sich tagelang zierte, dies offen zu legen. Einer Umfrage des ComRes-Instituts zufolge finden vier von fünf Briten, Cameron trage "moralische Verantwortung" dafür, weitestgehende Transparenz in den Kron-Territorien herzustellen.

USA als "neue Schweiz"

Politisch sieht sich Cameron vor die Forderung gestellt, Britanniens widerspenstige Krongebiete einfach zum Einlenken zu zwingen. Immerhin hat London das in der Vergangenheit in anderen Bereichen schon mehrfach getan: Zum Beispiel als es "seine" karibischen Territorien per Dekret dazu verpflichtete, die Todesstrafe aufzuheben und Homosexualität zu entkriminalisieren.

Auch viele Experten halten einen solchen Schritt für nötig. In einem Offenen Brief an die Gipfel-Teilnehmer erklärten diese Woche 300 Wirtschaftswissenschaftler, das Vereinigte Königreich sei "wie niemand sonst geeignet, hier die Führung zu übernehmen". Und zwar schon deshalb, weil es "Souveränität über rund ein Drittel der Steueroasen der Welt" ausübe. Der Aufruf wurde unter anderem vom Nobelpreisträger Angus Eaton, dem IWF-Chef-Ökonomen Olivier Blanchard und dem Wirtschafts-Autor Thomas Piketty unterzeichnet.

Auch die Steuerpolitik der USA wird anlässlich des Gipfels neu unter die Lupe genommen. Londons Financial Times stellte die Frage, ob Amerika als "Magnet für Offshore-Wohlstand" vielleicht "die neue Schweiz" sei. Aus Washington reist zum Gipfel Außenminister John Kerry an. Russland ist nur mit seinem Vize-Außenminister Oleg Syromolotow vertreten. Knapp über 40 Staaten haben ihre Teilnahme zugesagt.