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Panik in Buenos Aires

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Nach mehr als zwei Jahren wurde das Devisenverbot überraschend aufgehoben.


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Buenos Aires. Das Wasser scheint höher als nur bis zum Hals zu stehen. Jetzt lenkt die argentinische Regierung sogar bei ihrem umstrittenen Devisenverbot ein - wohl aus Angst vor Revolten aufgrund des rapiden Verfalls der eigenen Währung.

Seit Herbst 2011 galt in Argentinien ein striktes Devisenkauf-Verbot. Argentiniern, die aus Misstrauen gegenüber dem Peso stattdessen Dollars horten wollten, wurde es auf legalem Weg verunmöglicht, die US-amerikanische Währung zu kaufen. Denn die Regierung benötigte die Dollars selbst - für Schuldendienst und für den Import von Öl und Gas.

Mit dem Devisenverbot brach auch der Immobiliensektor in dem Land zusammen, der sich, aufgrund der Volatilität des Pesos, nur durch harte Dollars finanziert hatte. Dass der Dollar trotzdem begehrt war, zeigt, dass sogar seriöse Tageszeitungen neben dem regulären Dollar-Kurs (striktes Kontingent für Auslandsreisen) auch den "Dollar Blue"-Kurs angeben: Der euphemistisch genannte "blaue" Dollar ist jener, den die Argentinier auf dem Schwarzmarkt kaufen.

Doch damit ist jetzt Schluss. In einer überraschenden Wendung erklärten der Kabinettschef Jorge Capitanich und der Wirtschaftsminister Axel Kicillof in der Nacht zum Freitag, dass die Devisenkontrollen ab nächster Woche aufgegeben werden. "Wir haben uns dazu entschieden, dass der Kauf von Dollars für das Sparbuch autorisiert wird", sagte Capitanich vor dem Rednerpult. Fragen wurden keine akzeptiert, die beiden Politiker machten buchstäblich auf der Ferse kehrt und zogen sich zurück.

Der argentinische Peso hatte zuvor die heftigsten Kursverluste seit dem wirtschaftlichen Kollaps im Jahr 2002 erlitten. Allein in den bisherigen Jänner-Tagen brach der Peso um 22,7 Prozent ein - so stark wie keine andere Währung der Welt.

Jeden Tag ein neuer Rekord

Am Interbanken-Markt verteuerte sich die US-Währung am Mittwoch um knapp 20 Prozent auf ein Rekordhoch von 8,10 Pesos - um am nächsten Tag auf 8,15 Pesos zu klettern. Auch am Schwarzmarkt galoppierten die Preise davon: Ein "Dollar Blue" kostete am Mittwoch 12 Pesos, am Donnerstag schon 13 Pesos.

Dabei hatte die Woche so gut begonnen. Wirtschaftsminister Axel Kicillof, seit November im Amt, hatte erklärt, dass nach langer Zeit wieder Verhandlungen mit den Geldgebern des Pariser Clubs über den Schuldendienst seines Landes begonnen haben.

Analysten zufolge sind die Verbraucherpreise in dem südamerikanischen Land um mehr als 25 Prozent gestiegen. Die offizielle Teuerungsrate liegt weniger als halb so hoch. Für 2014 sagen Experten eine Inflation von 30 Prozent voraus. Weil der Notenbank die Devisenreserven für Stützungskäufe auszugehen drohen, hatte sie am Donnerstag bereits die Dollarkopplung gelöst und den Wechselkurs deutlich abgewertet. Das kommt laut Händlern einer Kapitulation vor den Märkten gleich, kurz zuvor hatte Staatspräsidentin Cristina Kirchner einen solchen Schritt noch ausgeschlossen.

Die bald 61-jährige Präsidentin war mehr als einen Monat abgetaucht - 35 Tage ließ sie sich in der Öffentlichkeit nicht blicken. In ihrem Fall kommt das einer Ewigkeit gleich. Mittwoch Abend, in der Eskalation der Währungskrise, beraumte sie wieder eine Pressekonferenz an. Nicht, um zum Peso Stellung zu nehmen, sondern um jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren aus sozial schwachen Familien 600 Pesos für Schule oder Studium zu versprechen.

Ausgehend von Argentinien und dem Währungsverfall in der Türkei sind am Freitag die Finanzmärkte sämtlicher Schwellenländer unter Druck geraten. Am Devisenmarkt erlitten Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika sowie Russland und Mexiko deutliche Kursverluste. Auch die spanische Börse gab empfindlich nach.