WHO warnt vor Ausbreitung des Erregers - die Gefahr für Österreich sehen heimische Experten jedoch gering.
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Wien. Seit Jahrzehnten kennt die Wissenschaft das Zika-Virus. Doch seit mehreren Monaten schlägt es in Süd- und Mittelamerika in bisher ungekanntem Ausmaß zu. Tausende schwere Fehlbildungen bei Neugeborenen werden mit dem Erreger in Verbindung gebracht. Schwangeren wird abgeraten, in Gebiete zu reisen, wo das Zika-Virus wütet. Die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, spricht von einer explosionsartigen Ausbreitung, 1,5 Millionen Zika-Fälle seien allein in Brasilien bekannt. Bisher starben mindestens 68 Babys. Wie hilflos die Regierungen sind, zeigt der Rat, Frauen sollten Schwangerschaften verschieben - in El Salvador wird sogar geraten, bis 2018 zu warten.
Um den Kampf gegen die Epidemie voranzutreiben, hat die WHO im Vorfeld der Olympischen Spielen in Brasilien im Sommer den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Dieser dient der Überwachung des epidemischen Verlaufs. "Jeder europäische Staat, wo Aedes-Moskitos vorkommen, könnte ein Risiko für die Verbreitung aufweisen", so die WHO am Mittwoch.
In Österreich sind die Temperaturen zu niedrig für die Überträger-Mücken. "Wir sind von Zika-Virus-Infektionen derzeit nicht betroffen", erklärte jüngst die Sektionsleiterin für Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Pamela Rendi-Wagner. Man überlege eine Meldepflicht für Krankheitsfälle. Am Mittwoch wurde jedoch in den USA der erste Fall einer sexuellen Übertragung bekannt. Muss man also doch Angst haben? Heimische Experten äußern sich sehr zurückhaltend. Im Folgenden ein Überblick über Fakten und Risiken aus ihrer Sicht.
Wann wurde der Zika-Erreger entdeckt?
Das Zika-Virus gehört, wie Dengue Fieber und das Westnil-Virus, zur Familie der Flavi-Viren. Es wurde erstmals 1947 bei einem Rhesusaffen im Zika-Wald in Uganda nachgewiesen. 1952 fanden Forscher den Erreger erstmals bei Menschen in Uganda und Tansania. 2007 häuften sich im pazifischen Raum die Infektionen, seit 2013 gibt es Fälle in Afrika und auch Amerika. Im November 2015 begann in Brasilien der erste bekannte große Ausbruch. "Hier gibt es den idealen Nährboden: ein großer Kontinent, viele Moskitos und ungeschützte Menschen. Das Virus frisst sich praktisch durch", erklärt Dennis Tappe, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.
Wie gut kennen wir das Virus?
Es wird über die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti), die in den Tropen und Subtropen beheimatet ist, übertragen. Auch die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die auch in Südeuropa lebt, gilt als potenzieller Überträger. "Bevor seine Auswirkung auf Ungeborene bekannt wurde, war das Zika-Virus eine Randnotiz der Tropenmedizin", sagt der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch: "Daher ist es in der Forschung vernachlässigt. Menschen sind normalerweise Fehlwirte, es gibt aber immer wieder Tier-Viren, die die Artengrenzen durchbrechen."
Wie gefährlich ist es?
Der Zusammenhang ist nicht endgültig bewiesen, drängt sich jedoch zahlenmäßig auf. "Der Verdacht auf eine Fruchtschädigung während der Schwangerschaft bei Infektionen mit dem Virus liegt nahe", sagt Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am BNITM. Allein in Brasilien wurde in den vergangenen Monaten bei 3700 Babys eine Mikrozephalie diagnostiziert. Neugeborene mit Mikrozephalie haben einen ungewöhnlich kleinen Kopf und damit ein besonders kleines Gehirn. Die Kinder sind häufig geistig behindert und leiden unter neurologischen Störungen. In schweren Fällen sterben sie kurz nach der Geburt oder noch im Mutterleib.
Welche Symptome haben Erwachsene?
Infizierte Erwachsene klagen über Kopf- oder Muskelschmerzen, Bindehautentzündung, Hautausschläge oder Fieber. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Infektion nach etwa zwei Wochen vorbei. "Es gibt Hinweise darauf, dass es nach einer Zika-Virus-Infektion zu Guillan-Barre-Syndrom kommen kann, jedoch sind sie sehr vage", warnt Tropenmediziner Kollaritsch. Das zumeist vollständig heilbare Guillan-Barre-Syndrom äußert sich in einer Nervenentzündung mit Symptomen von leichten Schmerzen bis zu Lähmungserscheinungen.
Gibt es eine verlässliche Methode zur Diagnose?
Ja. In den meisten virologischen Referenzlaboratorien kann die DNA des Virus über die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen werden. Mit der Nobelpreis-gekrönten Methode wird zu Diagnose-Zwecken die Erbsubstanz DNA im Labor vervielfältigt und unter die Lupe genommen. Weiters existiert eine serologische Untersuchung, bei der Flavi-Viren allerdings kreuzreagieren können. Wer gegen Zecken FSME-geimpft sind, wird somit in jedem Fall positiv testen.
Es gibt einen ersten Fall von sexueller Übertragung. Wie häufig ist das, und ist auch eine Tröpfcheninfektion denkbar?
"Es ist die absolute Ausnahme. Von Millionen Übertragungen haben wir bisher einen einzigen gesicherten Fall. Epidemiologisch spielt der sexuelle Übertragungsweg keine Rolle, sonst müsste man viel mehr Fälle sehen", sagt Kollaritsch. "Es fehlen hier knallharte Daten", bestätigt Lukas Weseslindtner vom Department für Virologie der MedUni Wien.
Sprühinfektionen sind laut Experten auszuschließen, da Flavi-Viren nicht über die Nasenschleimhaut aufgenommen werden. Auch auf oralem Weg gibt es keine Übertragung.
Wie gefährlich ist das Zika-Virus in Österreich?
"Eine Pandemie droht nicht, weil die Träger nur in bestimmten Regionen der Welt heimisch sind", sagt Kollaritsch: "Es ist unangebracht, Panik oder Angst davor zu haben, schon gar nicht in Österreich." Die deutsche Virologin Regine Heilbronn von der Freien Universität Berlin erklärt: "Zwar könnte die Tigermücke wie blinde Passagiere im Urlaubsgepäck mitreisen, zum Beispiel aus Italien. Eine einzelne Mücke macht aber noch keine Epidemie."
Welchen Impfstoff gibt es?
Keinen. Pharmafirmen springen auf den Plan, doch die Entwicklung eines Vakzins dauert im besten Fall drei bis vier Jahre.
Wie lange könnte die Epidemie dauern?
Aus Sicht heimischer Experten nicht sehr lange. Erfahrungswerte zeigen, dass bei einer Durchseuchung von etwa 35 Prozent eine Herdenimmunität entsteht. Damit sind mehr Menschen immun, als das Virus benötigt, um sich epidemisch zu verbreiten. "Aufgrund der Effizienz, mit der sich das Virus ausbreitet, kann die Herdenimmunität schneller da sein als ein Impfstoff", so Kollaritsch.
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