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Panik vor Zugvögeln?

Von Mathias Ziegler

Analysen

Stallpflicht gilt | als probates Mittel. | Künftiger Risikofaktor Südostasien. | Das gefährliche Vogelgrippevirus H5N1 sorgt täglich für neue beunruhigende Schlagzeilen. Und jetzt kommen auch noch die zigtausenden Zugvögel zurück nach Österreich, die von vielen Seuchenexperten als Hauptüberträger von H5N1 angesehen werden. So ist Ulrich Herzog, Bereichsleiter im Gesundheitsministerium, überzeugt, dass sich die infizierten Schwäne im Donau-Delta bei Zugvögeln angesteckt haben, die aus Südostasien nach Europa unterwegs waren.


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Herzog ortet den Adriaraum als zentralen Ausgangspunkt für die Verbreitung der Vogelgrippe im übrigen Europa. Die mehr als 100 infizierten Wildvögel auf der deutschen Ostseeinsel Rügen seien hingegen in Riga mit dem Virus in Kontakt gekommen.

Oberste Priorität ist für das Gesundheitsministerium nun, das heimische Geflügel von wild lebenden Artgenossen fernzuhalten. Dazu gehören neben der bundesweiten Stallpflicht auch eine Meldepflicht für tote Wasservögel und eine verschärfte Anzeigepflicht, falls bei Hausgeflügel vogelgrippeähnliche Symptome auftreten sollten. Österreich sieht sich für den Vogelzug ausreichend gerüstet.

Für Gerhard Loupal von der Veterinärmedizinischen Universität in Wien stellen die Zugvögel allerdings nur eine verhältnismäßig geringe Bedrohung dar. Gegen die These, dass vor allem sie H5N1 in der Welt verbreiten, spreche etwa der Umstand, dass das Virus in Nigeria, dem Ziel der Zugvögel, nicht bereits im Herbst aufgetreten ist - was Herzog rechtgeben würde - sondern erst Ende Jänner. "Und warum gab es bisher in jenen Gebieten Arabiens und Nordafrikas, wo die Zugvögel auch durchkommen, keine Ausbrüche?", fragt der Tiermediziner.

Für viel gefährlicher als dne natürlichen Vogelzug hält Loupal den weltweiten Transport von Geflügel: "Mag sein, dass H5N1 in Europa bisher nur bei Wildvögeln aufgetreten ist - aber auch diese werden in Massen zur Käfighaltung rund um die Welt geführt."

Abgesehen davon könne das Virus über Umwege in heimische Hühnerställe gelangen - trotz Stallpflicht. Das Szenario: Ein vor der Kälte flüchtender infizierter Schwan landet in einem Land ohne Stallpflicht in einem Hühnerhof und steckt den Bestand an. Später werden Tiere im Zuge des internationalen Handels an andere Höfe weiterverkauft und das Virus verbreitet.

Doch selbst wenn der Vogelzug tatsächlich ein wesentlicher Faktor für die Ausbreitung der Vogelgrippe wäre, macht er Loupal zumindest in Europa kaum Sorgen: "Die Stallpflicht ist ein probates Mittel, um Kontakte zu verhindern. Und solange das Virus auf Wildvögel beschränkt ist, läuft es sich ohnehin irgendwann tot. Denn die meisten Vögel sterben daran, ehe sie es überhaupt weitergeben können - oder sie sind immun dagegen."

Gefährlich werde es aber, wenn die Vogelgrippe in Südostasien nicht eingedämmt wird: "Dort könnten sich dann wiederum Wildvögel an infiziertem Hausgeflügel anstecken."