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Papier ist geduldig, braucht aber Energie

Von Monika Jonasch

Wirtschaft

Ein Gasembargo wäre fatal für die Papierindustrie. Lebensmittel, Hygieneartikel und Fernwärme wären davon betroffen.


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Was wäre, wenn kein Gas mehr aus Russland nach Österreich kommt? Dass die Alpenrepublik extrem abhängig vom russischen Gas ist, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Wie aber sehen die Folgen im Detail aus, etwa für die heimische Papierindustrie?

Die 23 österreichischen Papierfabriken erzeugen pro Jahr etwa fünf Millionen Tonnen Papier, in den Export gehen davon fast 90 Prozent. Zusätzlich werden noch zwei Millionen Tonnen Zellstoff erzeugt. Unter dem Strich machte die Papierindustrie damit im vergangenen Jahr rund vier Milliarden Euro Umsatz. Österreich ist traditionell ein "Papierland" hieß es zuletzt bei einem Pressegespräch des Branchenverbands Austropapier.

So energieintensiv wie Stahl

Was allerdings den wenigsten bewusst ist: Die Papiererzeugung ist ähnlich energieintensiv wie die Stahl- oder Chemieproduktion. Das ist in der momentanen Situation eines drohenden Lieferstopps von Gas aus Russland fatal. "Die Papierindustrie bemüht sich seit Jahren um CO2-Reduktion und die Abkehr von fossilen Brennstoffen", erläutert Max Oberhumer, Geschäftsführer von Sappi Gratkorn und Präsident von Austropapier. Derzeit sei man gerade beim Ausstieg aus Kohle und Erdöl. Aber Gas wird noch für die Dampf- und Stromerzeugung, für die Papiermaschinen und als Start- und Stützbrennstoff in den Zellstoff-Fabriken gebraucht. "Ohne Gas keine Papiererzeugung", so Oberhumer.

Der verstärkte Einsatz von erneuerbaren Energien, die Energie-Effizienz der Anlagen und die Wiederverwertung der Abfälle sind seit längerem ein Thema für die Papierproduzenten. Viele betreiben eigene Wasserkraftwerke und setzen auch auf Photovoltaik. In der Zellstoffproduktion kommen die Brennstoffe mittlerweile zu 60 Prozent aus erneuerbaren Quellen, teils aus Produktionsabfällen wie Zellstofflauge, Altpapier-Resten und Klärschlamm. Zehn Prozent der gesamten in Österreich aufgebrachten erneuerbaren Energie kommen aus der Papierindustrie.

Von Fernwärme bis Biogas

"In der Zellstoffproduktion wird aus Lignin-Resten wieder Dampf und Strom erzeugt, Abwärme wird ins regionale Fernwärme-Netz eingespeist. Dennoch brauchen wir zur Rückgewinnung der Chemikalien und zum Anfahren der Fabriken immer noch ein Minimum an Gas", erklärt Kurt Maier, CEO der Heinzel Group.

Bei der Abwässer-Reinigung werde zwar Biogas gewonnen, das anstelle von Erdgas eingesetzt werden kann. "Aber das reicht bei Weitem nicht aus, aus heutiger Sicht ist Erdgas kurzfristig nicht ersetzbar." Biogas in größeren Mengen zu erzeugen, habe man schon im Sinne der EU-Vorgaben zum Green New Deal, geplant. Aber eben erst für etwa 2040.

Die Anstrengungen der Papierindustrie zahlen sich nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Umgebung aus. So wird mit der Abwärme aus der Fabrik von Mondi der Rasen des Fußballvereins WAC geheizt, Zellstoff Pöls erwärmt die AquaLux Therme in Fonsdorf und AustroCel das Landeskrankenhaus Hallein.

Der Worst Case

Was würde es für die Industrie bedeuten, wenn aufgrund des Ukraine-Krieges ein Import-Stopp für russisches Gas verhängt wird? "Das ist der Worst Case und kaum vorstellbar. Wir hoffen, dass uns das in Österreich erspart bleibt, denn das hätte dramatische Auswirkungen", meint Max Oberhumer. Dann müsste man die Fabriken abstellen. Das würde eine "gewaltige Menge an Kurzarbeitsnotwendigkeit" auslösen, da sind sich alle Branchengrößen einig. Heinzel-Group-Geschäftsführer Maier führt aus: "Eine sichere Zellstoffproduktion ist dann nicht mehr möglich, damit könnten circa 20.000 Haushalte weder mit grünem Strom noch mit Fernwärme beliefert werden."

Enzo Zadra, Geschäftsführer von Norske Skog in Bruck ergänzt: "Sobald es zu ersten Reduktionen russischer Erdgasliefermengen kommt, wird es zu massiven Preisverwerfungen am Erdgasmarkt kommen."

Mögliche Folgen eines Notfalls

Die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise belasten die Papierindustrie bereits massiv. So musste die steirische Papierfabrik Norske Skog in Bruck ihre Produktion drosseln, weil sie sich das Gas nicht mehr leisten konnte. Laut Branchenverband zahlt die Papierindustrie derzeit zehnmal mehr für Energie als im Vorjahr.

Die von der Regierung angekündigten Entlastungsmaßnahmen helfen da nicht ausreichend, kritisieren die Branchenvertreter. "Die einzige Maßnahme, die bisher wirklich etwas bringt, ist die Aussetzung der Ökostromförderkosten", so Oberhumer.

Kommt es nun noch zum Ernstfall, einem Gas-Importstopp, müsste die österreichische Regierung einen Notfallplan für die Gasversorgung des Landes vorlegen. Wie dieser im Detail aussieht, ist derzeit noch unklar. Auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" gaben alle Papierproduzenten an, bisher noch nicht über etwaige Rationalisierungsmaßnahmen informiert worden zu sein.

Ohne Papierproduktion fehlt Fernwärme

"Es kommt darauf an, wie in einem Energielenkungsfall der Stufe 3 mit der Industrie umgegangen wird. Ohne Erdgas kann mit großer Wahrscheinlichkeit kein Werk mehr produzieren. Damit kann weder die Fernwärmeversorgung, noch die Netzstabilisierung mit Regelenergie oder die thermische Verwertung externer Rejekte und die Herstellung klimaneutraler Baustoffe sichergestellt werden", so Enzo Zadra.

"Die Papierindustrie beziehungsweise Norske Skog Bruck sind mit Interessensvertretern und der Politik in Kontakt, um die Auswirkungen eines Produktionsstopps auf die Fernwärmeversorgung, die Energienetzstabilisierung und die Herstellung klimaneutraler Bauprodukte zu verdeutlichen", erklärt er dann.

Kann man einer drohenden Gasknappheit begegnen, etwa indem man eigene Vorräte anlegt? "Das ist schwierig", meint Sappi-Chef Oberhumer. "Es ist leider gesetzlich nicht sichergestellt, dass bei staatlichen Energielenkungsmaßnahmen solche Vorräte dann nicht quasi enteignet werden", gibt er zu bedenken.

Ein Produktionsstopp in den Fabriken für Papier und Zellstoff hätte jedenfalls erhebliche Folgen auf die Lieferketten, führt der Sappi-Chef weiter aus: Nicht nur das Papier selbst würde fehlen. Auch bei Hygieneprodukten wie Windeln oder WC-Papier würde es dann zu Engpässen kommen. Zudem wäre die Verpackungsindustrie betroffen und in weiterer Folge dann die Lieferketten. Denn von Lebensmitteln bis Medikamente ist eine Vielzahl von Produkten in Papier oder Pappe verpackt.