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Papiertaschentücher

Von Paul Vécsei

Reflexionen
Brillenputzen: Taschentücher sollten hier helfen, auch wenn sie nicht dafür geschaffen wurden.
© Robert Newald

Teddy Podgorski bekam von der Natur markante Gesichtszüge geschenkt. Hervorstechend und unverwechselbar ist beispielsweise seine Nase. Die steckt er gerne in viele Dinge, aber dennoch nicht überall hinein. Deswegen ist er etwa bei Einweg-Taschentüchern ganz schön selektiv, obwohl er ständig solche benutzt. Was auch der folgende Bericht beweist.


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Er ist mit seinen rund 70 Lebensjahren umtriebig, humorvoll wie immer, blitzgescheit und vor allem noch immer ein echter Universalist: Teddy Podgorski war schon ORF-Generalintendant (1986 bis 1990), Schauspieler, Filmemacher, Regisseur, Erfinder legendärer Fernsehsendungen, Chefreporter in den Kindertagen des Fernsehens, Chefredakteur, Operettendarsteller und Buchautor. Ob im Rahmen von Shakespeare-Rollen bei den Salzburger Festspielen, Auftritten in der Pariser Oper oder bei Operetten in Mörbisch, oder auf den Bühnen von Staats- oder Volksoper - Podgorksi ist seit Jahrzehnten eine auffallend vielseitige komödiantische Figur des heimischen Kulturbetriebes.

Dabei ist der erfolgreiche Grenzüberschreiter zwischen Medien- und Theaterwelt ein persönlich bescheidener, gemütlicher Typ geblieben. Er sitzt gerne mit Freunden im Stammlokal, dem eben 100 Jahre alt gewordenen legendären "Gutruf", um das sich viele Anekdoten ranken. Helmut Qualtinger hat den jungen Teddy hier einst "hergeschleppt. Dann bin ich picken geblieben", erzählt Podgorski. Zunächst war das "Gutruf" ein Delikatessen-Geschäft. Dessen früherer Besitzer Hannes Hoffmann sei die Inkarnation des literarischen "Herrn Karl" gewesen. "Wörtlich" hätten Carl Merz und Helmut Qualtinger später viele Sprüche von Hoffmann in ihr Stück übernommen.

Jetzt hat Podgorski, der sich heute nur mehr als Autor und Regisseur sehen will, zum Jubiläum ein Buch mit zahlreichen "Gschichterln" rund um und über das "Gutruf" verfasst. Dass einst stadtbekannte Kommunisten, aber auch Persönlichkeiten wie der wegen mehrfachen Mordes verurteilte Udo Proksch dort gerne verkehrten, hatte in einigen Medien eine Zeit lang alle Freunde des Lokals in ein schiefes Licht gerückt. "Lauter Verschwörungstheorien", sagt Podgorski heute. "Weil der spätere Besitzer Rudi Wein einfach nur jene Gesichter herein gelassen hat, die ihm gefallen haben."

Podgorskis Gesicht gefiel und es gefällt noch heute, vor allem auch auf den Wiener Bühnen. Als er noch im ORF Spitzenpositionen bekleidete, "habe ich es in den Rollen schwerer gehabt. Da musste ich immer gegen meinen Background anspielen. Trat ich etwa als Polizist auf, haben alle zuerst nur den Generalintendanten gesehen."

Doch Medien und Bühne passten letztlich gut zusammen: "Ich versuchte immer, die Schauspielerei informativ anzulegen und die Information künstlerisch zu sehen." Mit diesem Zugang erfand Podgorski eine ganze Reihe von Quotenhits im Fernsehen, die man damals noch nicht so bezeichnete. So etwa die "Zeit im Bild", "Sportpanorama", "Panorama", "Seinerzeit", "Jolly Joker", "Seitenblicke" und "Bundesland Heute".

Podgorksi ist im Erfolg eine freundlich-charmante, in sich ruhende und gleichzeitig aufgeweckte Persönlichkeit geblieben. Seine Nase steckt er nur mehr in ausgewählte Dinge. Diese Haltung, wie auch das markante Organ selbst, boten den Anlass, ihn zu einem Test von Papiertaschentüchern zu bitten.

Mit einem Verbrauch von 660 Stück pro Nase und Jahr sind die Österreicher laut Herstellerangaben europäische Rekordhalter bei "Tatüs". Es folgen die Schweiz (640) und Deutschland (550). Podgorski gehört sicher zum heimischen Verbraucher-Spitzenfeld. Mit rund 60 Packerln zu zehn Stück im Jahr putzt er jedenfalls den Durchschnittsdeutschen schnäuz-statistisch gesehen souverän weg.

Podgorski hat für Tatüs vielfache tägliche Verwendungen, die weit über das Schnäuzen hinausgehen: Wenn bei der Vorstellung kein Auge trocken bleibt, wenn ein Lackerl vom Rotwein ausgeschüttet wird, wenn einmal keine Serviette zur Hand ist, wenn die Brille wieder Durchblick braucht, zum Schweiß trocknen und vielleicht auch zur Hilfe beim Abschminken. "Nur für anale Zwecke ist das nicht zu empfehlen, weil es allen Fabrikaten an der nötigen Griffigkeit mangelt, die sonst beim nasalen Gebrauch zu Rötungen führen würde."

Testkriterien. Sieben Sorten wurden sechs harten Prüfungen ausgesetzt, um herauszufinden, was Podgorski am besten zu Gesicht steht. Erworben wurden Packungen zu bis zu zehn Stück aus vierlagigen Papierschichten. Nach dem Schulnotensystem wurden folgende Kriterien bewertet:

Verschluss: Nicht lange herumnesteln müssen, lautete Podgorskis Devise. Wer lange den Nippel oder die Lasche suchen muss, verzweifelt sonst beim Niesen. Wieder verschließbar, ohne den Inhalt zu verkleben, erwies sich als das Um und Auf.

Haptik: Geruch und wie sanft oder rau sich das Taschentuch an der empfindlichen Nasenspitze anfühlt, bildeten ein weiteres Qualitätskriterium.

Saugkraft: Diese wurde mit bewusstem Verschütten einer kleinen Menge Rotwein auf das Taschentuch überprüft.

Reißfestigkeit: Ein gutes Taschentuch muss strapazierfähig sein und einem plötzlichen Anreißen mit beiden Händen zumindest ein wenig standhalten.

Brillenputzen: Ganz gleich ob Taschentücher dafür das richtige Instrument sind, hunderttausende Brillenträger setzen sie dafür täglich ein. Was beim Saubermachen der Gläser auch wirksam hilft, bekam daher gute Noten.

Servietten-Test: Krawatte, Hemd und Sakko sollten zumindest durch ein provisorisches Trenz-Patterl in Form eines "Tatüs" Schutz finden können. Das erfordert aber wenigstens eine taugliche Mindestgröße.

Zusammenfassung. Aus Gründen mangelnder Eleganz wurden trotz Podgorskis Insistieren keine Haushaltsrollen getestet, die angeblich viele dieser Funktionen bestens erfüllen. Denn schließlich geht es um Einwegpapier, das bequem in Taschen aller Art Platz finden soll.

Das gängige Format von Papiertaschentüchern brachte den Herstellern aber gleich heftige Kritik unseres Prüfers ein: Kein Produkt erwies sich als tauglicher Servietten-Ersatz. "Die sollen größere Taschentücher machen, weil man das einfach braucht! Schließlich kann man sie dann vielleicht auch ein zweites Mal benützen."

Die Verschlüsse zeigten große Qualitätsunterschiede. Grundsätzlich erwiesen sich Packungsöffnungen auf der Schmalseite als weniger tauglich und meist sperrig. Zu oft musste man in diesen Fällen auch den Eingang zur Packung suchen.

Tester Podgorski bemängelte auch die zum Teil rotzigen Preise der Taschentücher: "Die Qualität rechtfertigt jedenfalls diese Preisunterschiede nicht." Dennoch fand auch er nach zwei Achterln Rot in der Prüfung der Produkte einen intellektuellen und grundsatzphilosophischen Erkenntnisgewinn der Sonderklasse: "Der Test gibt mir das Gefühl, für weiteres Wohlbefinden bakteriell gefährdeter Zeitgenossen, ohne Ansehen der Person, die Grundlage geschaffen zu haben, welche die krankheits-salvierenden Ergebnisse bei entsprechender Kenntnisnahme durch die Erzeuger zur Folge haben werden." Da kann man nur sagen: Lieber Helmut Qualtinger, schau oba auf deinen Freund!

Einzelergebnis

1. Platz: Gesamtnote 2,5
Zewa softies 15x10, Euro 2,35, Verschluss 1, Haptik/Geruch 1, Saugkraft 2, Reißfestigkeit 4, Brillenputzen 2, Serviette 5

2. Platz: Gesamtnote 2,66
Kleenex 12x9, Euro 2,29, Verschluss 4, Haptik/Geruch 1, Saugkraft 1, Reißfestigkeit 2, Brillenputzen 3, Serviette 5

3. Platz: Gesamtnote 2,83
Tempo 15x10, Euro 1,95, Verschluss 3, Haptik/Geruch 1, Saugkraft 2, Reißfestigkeit 3, Brillenputzen 3, Serviette 5

4. Platz: Gesamtnote 3
Clever 30x10, Euro 1,79, Verschluss 4, Haptik/Geruch 2, Saugkraft 2, Reißfestigkeit 3, Brillenputzen 2, Serviette 5

5. Platz: Gesamtnote 3,16
Feh Classic 15x10, Euro 1,97, Verschluss 2, Haptik/Geruch 3, Saugkraft 4, Reißfestigkeit 4, Brillenputzen 1, Serviette 5

6. Platz: Gesamtnote 3,83
soft und sicher 15x10, Euro 1,35, Verschluss 5, Haptik/Geruch 3, Saugkraft 3, Reißfestigkeit 4, Brillenputzen 3, Serviette 5

7. Platz: Gesamtnote 4,16
Quality Line 15x10, Euro 1,39, Verschluss 4, Haptik/Geruch 3, Saugkraft 4, Reißfestigkeit 5, Brillenputzen 4, Serviette 5