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Erdogan mahnte zu Gastfreundschaft. | Papst-Appell zur Verständigung. | Ankara. "Benvenuto!" In großen Lettern prangt der Willkommensgruß auf Italienisch auf der Titelseite des türkischen Massenblattes "Sabah". Er gilt Papst Benedikt XVI., der gestern, Dienstag seinen viertägigen Türkei-Besuch angetreten hat. Es sollte eine "Reise des Dialogs, der Brüderlichkeit und Versöhnung" werden, hatte das katholische Kirchenoberhaupt angekündigt, dem vor zwei Monaten muslimische Kreise Islam-kritische Aussagen vorgeworfen haben.
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Doch sei der Papst in der Türkei mit ihrer überwiegend muslimischen Bevölkerung herzlich willkommen, ließ auch der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan wissen. Eine Parlamentsrede nutzte er zu einer Aufforderung an seine Landsleute, Benedikt XVI. im Sinne der bekannten türkischen Gastfreundschaft zu empfangen. Erdogan selbst ging mit seinem Beispiel voran: Anders als tagelang kolportiert fand er doch Zeit für ein Treffen mit dem Papst, bevor er zum Nato-Gipfel in Lettland flog. Schon auf dem Rollfeld des Flughafens in Ankara begrüßte er den Pontifex mit Handschlag.
Sichtlich zufrieden berichtete Erdogan nach einem Gespräch im Flughafengebäude, der Papst stehe einer Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union "wohlwollend" gegenüber. Noch vor zwei Jahren hatte der damalige Kardinal gemeint, ein EU-Beitritt des Landes wäre "unhistorisch". Eine Ermunterung kann die Regierung in Ankara derzeit gut brauchen, nachdem die EU eine teilweise Aussetzung der Beitrittsverhandlungen angedroht hat.
Demonstranten, die - wie am Wochenende in Istanbul - gegen den Besuch protestierten, bezeichnete Erdogan als "Randgruppe, die eine enge Sichtweise hat". Gegner der Visite versammelten sich allerdings auch in Ankara: Vor dem Sitz der Religionsbehörde demonstrierten Mitglieder einer Beamtengewerkschaft.
In dem Gebäude traf Benedikt XVI. - nach einer Kranzniederlegung im Atatürk-Mausoleum und einem Treffen mit Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer - auch einen seiner heftigen Kritiker: den Vorsitzenden der Regierungsbehörde für religiöse Angelegenheiten, Ali Bardakoglu. Noch vor zwei Monaten hat der staatliche oberste Repräsentant des Islam in der Türkei laut darüber nachgedacht, ob angesichts der "Kreuzfahrer-Mentalität" des Papstes dessen Visite überhaupt Sinn habe. Doch davon war nicht mehr die Rede. In festlichem Ornat samt seinem weißen Turban wartete Ali Bardakoglu schon beim Eingang.
Der Papst wies auf das tägliche Blutvergießen in der Welt hin und beschwor die Pflicht der Religionsgemeinschaften, für Frieden und Verständigung einzutreten. Der Dialog zwischen den Religionen müsse ausgeweitet und in eine neue Dimension gebracht werden.