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Papstreise als Gratwanderung zwischen Religion und Politik

Von Hanns-Jochen Kaffsack und Hans Dahne

Politik
Das Papamobil wurde vor dem Besuch bereits auf dem Ölberg in Jerusalem getestet. Foto: ap/Tara Todras-Whitehill

Heikle päpstliche Reise nach Israel. | Rom/Jerusalem. (dpa) Papst Benedikt XVI. beginnt heute ein historische Reise ins Heilige Land. Er wird an der Klagemauer in Jerusalem stehen, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchen und ein palästinensisches Flüchtlingslager im Westjordanland - Brennpunkte einer Pilgerreise des katholischen Kirchenoberhaupts, die von allen Seiten höchst aufmerksam verfolgt werden wird.


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Gastgeber Israel will den Pontifex im Rahmen der "Operation weißer Umhang" mit einem für einheimische Verhältnisse beispiellosen Aufgebot von bis zu 80.000 Sicherheitskräften schützen.

Wenn Benedikt seine einwöchige Reise antritt, beginnt auch eine Gratwanderung zwischen Religion und Politik. Anfang des Jahres gab es erhebliche Verstimmungen mit den Juden, als Benedikt XVI. die Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen der Pius-Bruderschaft aufhob, unter denen sich der als Holocaust-Leugner hervorgetretene Brite Richard Williamson befindet. Und dann kommt er nur knapp vier Monate nach dem blutigen israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen in die Region.

Auch wenn manche in Rom ihm abgeraten hatten: Benedikt wollte diese Reise auf den Spuren seines Vorgängers Johannes Paul II., der vor neun Jahren ebenfalls Jordanien, Israel und Palästina besucht hatte. Der 82-jährige Papst wird bei dieser Visite mit dem dichtesten und anstrengendsten Programm seiner damit zwölf Auslandsreisen konfrontiert sein. Nicht weniger als 25 Reden, vier öffentliche Gottesdienste und eine Reihe anderer Termine stehen auf dem Programm.

Nur noch rund 170.000 Christen leben im Heiligen Land. Für viele ist die Lage heikel. In Israel sind die arabischen Christen sozusagen eine Minderheit in der Minderheit. Die meisten Araber, die ein Fünftel der Bevölkerung in Israel ausmachen, sind Muslime. In den palästinensischen Gebieten wird das Zusammenleben von Christen mit islamischen Fundamentalisten zum Drahtseilakt. Viele haben das nackte Leben gerettet und sind ausgewandert.

Man solle den Papst-Besuch nicht durch eine politische, sondern religiöse Brille betrachten, empfiehlt der Apostolische Nuntius Erzbischof Antonio Franco. Die Beteiligten wie beispielsweise der Bürgermeister von Bethlehem, Victor Batarseh, sehen das anders. Für den Christen, der Mitglied der marxistischen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) ist und 2005 als Unabhängiger mit den Stimmen der islamistischen Hamas zum politischen Oberhaupt der Geburtsstadt Jesu gewählt wurde, ist der Besuch Benedikts im palästinensischen Flüchtlingslager Aida eine "politische Erklärung", wonach "der Papst auf der Seite der Unterdrückten steht und wirklich glaubt, dass es eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts geben sollte". Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, sagt, dass die ganze Region "Politik atmet".

"Der Papst sitzt hier sozusagen wie in einem Glashaus, in dem Instrumentalisierungen immer latent vorhanden sind", weist der Kustos der Heiligen Stätten, der Franziskaner-Obere Pierbattista Pizzaballa, auf Fußangeln hin, auf die Benedikt aufpassen muss: "Aber mit seiner Persönlichkeit und seinem Wortschatz wird er sich davon nicht vereinnahmen lassen."

Das dürfte zutreffen, jedoch hat der Pontifex auf Reisen wiederholt auch mit kritischen Äußerungen zum Islam oder zum Kondom im Kampf gegen Aids weltweit Schlagzeilen gemacht. Benedikt selbst weiß, was er an den Heiligen Stätten will: "Den Herrn um die wertvolle Gabe der Einheit und des Friedens für den Nahen Osten und für die ganze Menschheit bitten."

Hinter der Vorfreude auf Tempelberg, Bethlehem und Nazareth verblasst sicherlich für Benedikt XVI. die Tatsache, dass die schwierigen Verhandlungen zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel etwa zum Rechtsstatus kirchlicher Güter auch nach zehn Jahren noch nicht abgeschlossen sind. Und während eines der Ziele dieser Pilgerreise darin liegt, "konkret die christlichen Minderheiten in der Region zu ermutigen", wie es Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone formulierte, muss Benedikt die Balance halten. Es geht um interreligiöse Impulse, um das immer wieder heikle Verhältnis zwischen Christen und Juden. Und es geht darum, den Dialog mit den Muslimen zu entkrampfen. Ein heikles Feld: "Monster der Kreuzzüge" gegen "Monster religiöser Intoleranz", so hat der vatikanische Spitzendiplomat Erzbischof Celestino Migliore das Spannungsfeld unlängst beschrieben.

Die Vergangenheit holt Benedikt mehrfach ein: In Yad Vashem macht er einen Bogen um das historische Museum. Dort wird Vorgänger Pius XII. (1939-58) als Papst dargestellt, der "weder schriftlich noch mündlich" gegen den millionenfachen Mord an Juden in der NS-Zeit protestiert und bis auf zwei Ausnahmen eine neutrale Position beibehalten hat - was Benedikt XVI. vehement bestreitet. Zudem muss er mit Protesten immer noch verärgerter Muslime rechnen, die ihm sein kritisches Zitat zum Verhältnis von Islam und Gewalt von 2006 in Regensburg vorhalten.