Enttäuschung Machte sich bei jenen kirchlichen Kräften breit, die für mehr Basisdemokratie und den interreligiösen Dialog stehen. Sowohl in Lateinamerika wie in Afrika wurde die Wahl Ratzingers von vielen als Votum für den patriachalischen, konservativen Weg gesehen.
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Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und ehemalige anglikanische Primas für das südliche Afrika, der Alterzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu, hat sich enttäuscht über die Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum Papst geäußert. Das neue Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sei streng konservativ und habe keinen Bezug zur Gegenwart, sagte der Friedensnobelpreisträger am Mittwoch im südafrikanischen Rundfunk.
Mit Blickrichtung auf die Haltung des Vatikans zur Aids-Bekämpfung und der Rolle der Frau sagte er: "Wir hatten auf jemanden gehofft, der jüngsten Entwicklungen in der Welt offener gegenübersteht." Das Papstamt sei eine gewaltige Aufgabe, und "wir bitten für ihn um Gottes Segen", sagte Tutu.
Die Tatsache, dass ein Europäer Papst geworden sei, sei von geringerer Bedeutung als dessen konservative Einstellung, sagte Tutu, der sich für ein Kirchenoberhaupt aus Afrika oder Lateinamerika ausgesprochen hatte. Vergangene Woche hatte Tutu gesagt, er hoffe, dass der neue Papst das Kondom-Verbot aufheben werde, um die Ausbreitung von Aids besser bekämpfen zu können.
Tutu erhielt 1984 den Friedensnobelpreis in Anerkennung seines Kampfes gegen die Apartheid. Nach deren Beseitigung leitete er die Nationale Wahrheits- und Versöhnungskommission in seinem Land.
Protestanten sind skeptisch
Der neue Papst Benedikt XVI. müsse ganz anders agieren als der frühere Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger, erklärte die deutsche evangelische Bischöfin Margot Käßmann am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Immerhin komme das neue Oberhaupt der katholischen Kirche aus dem Land der Reformation. In Deutschland seien die evangelische und katholische Gemeinde etwa gleich groß. Deshalb sei die Hoffnung auf mehr Ökumene und eines Tages auch auf ein gemeinsames Abendmahl groß.
Wörtlich fügte die Bischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche von Hannover hinzu: "Ich hoffe, dass der neue Papst ein Herz für die Ökumene zeigt, weil die Hoffnung darauf sehr groß ist." Allerdings habe sie große Skepsis, dass sich unter dem neuen Papst etwas in der Frauenfrage bewegen werde. Käßmann verwies auf Ratzingers rigide Position bei der Schwangerschafts-Konfliktberatung und Verhütung. Und dass jemand mit 78 Jahren seine Position noch einmal stark verändere, sei nach aller Erfahrung unwahrscheinlich, fügte die evangelische Bischöfin hinzu.
Die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen hatte vor der Papst-Wahl erklärt, sollte der römische Kurs noch "straffer" werden als bisher, dann könne es "für die Ökumene schwierig" werden. Speziell Ratzinger habe sie sehr deutlich und klar in der Abgrenzung erlebt, sagte Jepsen. "Er hat Ängste vor dem Zeitgeist und auch davor, dass Ortskirchen selbstständig werden und eigene Verantwortung wahrnehmen." Bei einem Gottesdienst zusammen mit ihm habe sie gespürt, dass sie als Mensch von ihm geschätzt werde, aber nicht als Amtsträgerin.
Die von Ratzinger verfasste vatikanische Erklärung "Dominus Iesus", die die Vorrangstellung der katholischen Kirche betont und die Protestanten nicht als "Schwesterkirchen", sondern nur als "kirchliche Gemeinschaften" anerkennt, hatte für starke Irritationen in den ökumenischen Beziehungen gesorgt. In dem Dokument heißt es: "Es muss immer klar bleiben, dass die universale, eine, heilige, katholische und apostolische Kirche nicht Schwester, sondern Mutter aller Teilkirchen ist". Die reformatorischen Gemeinschaften ohne "gültigen Episkopat und Eucharistie" sollten nicht als "Schwesterkirchen" bezeichnet werden.