In der Aufregung um die Krise geht fast unter, dass die EU ihr mit einem alten Rezept beikommen will: Europa soll aufgerüstet werden.
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"Parabellum" ist nicht nur der Name einer weitverbreiteten Munitionsart für Pistolen und Maschinenpistolen. Als der Waffenkonstrukteur Georg Luger im Jahr 1900 die Patrone zunächst als 7,65-Millimeter-Kaliber schuf und wenig später eine 9mm-Version entwickelte, arbeitete er für die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken - und deren Motto war der lateinische Spruch "Si vis pacem para bellum". Was so viel heißt wie "Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor".
Die Sentenz ist viel interpretiert worden. Ihr Wortlaut legt allerdings nahe, dass sie nicht nur bei Waffenproduzenten - wohl nicht zufällig nannte Colt ein aus Westernfilmen bekanntes Revolvermodell den "Peacemaker" -, sondern auch bei Militaristen großen Anklang findet. Aber ist eine solche Haltung auch mit dem Friedensnobelpreis zu vereinbaren?
Diese Auszeichnung ist bekanntlich heuer dem "Friedensprojekt EU" zuerkannt worden, und am 10. Dezember wurde sie den EU-Repräsentanten übergeben. Wenige Tage später verkündete einer von ihnen, nämlich EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, dass die europäische Rüstungsindustrie gestärkt werden müsse - und das war nicht seine Einzelmeinung. Vielmehr erläuterte er die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels der Staats- und Regierungschefs, der bei der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion nur recht unverbindliche Aussagen traf. Ob dieses dominierenden Themas blieb denn auch jene Passage zur "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (GSVP) von den Medien fast unbemerkt.
Selbstverständlich redet der Friedensnobelpreisträger nicht von Krieg, den es vorzubereiten gilt. Es gehe vielmehr um das "internationale Krisenmanagement" und darum, "größere Verantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu übernehmen", wie es in den Gipfel-Schlussfolgerungen hieß. Darum müsse die Zusammenarbeit zur Entwicklung militärischer Fähigkeiten verstärkt werden, wozu übrigens auch "mehr Synergien zwischen ziviler und militärischer Forschung und Entwicklung" geschaffen werden müssten.
Van Rompuy versprach positive Effekte: Mehr Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, stärkeres Wachstum und höhere Beschäftigung. Ein Schelm, wer dabei daran denkt, dass die Rüstungsindustrie schon einst gehörig zu einer ordentlichen Beschäftigungspolitik beigetragen hat.
Ein bescheidender Trost: Wie alle Vorhaben der Europäischen Union schreiten auch ihre Rüstungspläne nur langsam voran. Bis September 2013 sollen die Außenrepräsentantin und die Kommission Vorschläge zum Thema machen, Rompuy selbst soll auf Basis dessen in einem Jahr Empfehlungen abgeben. Ob diese allerdings von den einzelnen Staaten befolgt werden, scheint aufgrund der bisherigen Erfahrungen fraglich. Soll sich etwa Deutschland seine Position als weltweit drittgrößter Waffenexporteur streitig machen lassen? Und womöglich den großen Kuchen mit den Griechen teilen, die bisher so gute Abnehmer für deutsche Qualitätsprodukte wie Panzer und U-Boote waren?