In den USA beginnt ein zermürbender Vorwahlkampf, unter dem nicht nur die Kandidaten leiden, sondern auch das politische System.
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Noch nimmt hierzulande kaum jemand Notiz von der Wahlschlacht des Jahres 2016. Wenn schon, wird die weltbewegende Frage erörtert, wer nun in den Ring um die österreichische Bundespräsidentschaft steigt. Viel wichtiger sollten wir aber nehmen, was sich derzeit einige tausend Kilometer weiter westlich abspielt. In den USA hat seit Anfang dieser Woche das Hauen und Stechen in der intensivsten Wahlschlacht der Welt voll eingesetzt.
Mit Ted Cruz hat der erste ernstzunehmende Präsidentschaftskandidat das Spielfeld betreten. Cruz wurde von der fundamentalistischen Tea-Party-Bewegung gepusht. Ein zentrales Ziel wird es sein, diese nun zu einen und hinter sich zu versammeln. Obwohl Cruz nicht den religiösen Anstrich eines Mike Huckabee (2008) oder Rick Santorum (2012) hat, will er auch zum Kandidaten der Evangelikalen werden. Als Haudrauf-Republikaner geht er allemal durch: Barack Obamas Gesundheitsreform will er auf Punkt und Beistrich rückgängig machen, die Bundessteuerbehörde IRS ersatzlos streichen.
Die größten Chancen, die Nominierung seiner Partei zu bekommen, hat Cruz derzeit zwar nicht. Aber er weiß, dass sich die Parteibasis zwischen zwei Optionen entscheiden muss: Entweder sie kürt einen Anti-System-Politiker wie ihn oder einen Kandidaten des Establishments, etwa Jeb Bush. Der dritte Bush im Weißen Haus wäre angesichts der meisten republikanischen Kontrahenten eine moderate Variante. Nicht umsonst ist er eine Lieblingszielscheibe im konservativen Talk-Radio. Eine Ikone des Genres, Rush Limbaugh, stellte trocken fest, Jeb Bush gehe nicht als Konservativer durch. Im Gegenteil: Er gäbe mit dem Gottseibeiuns aller republikanischen Diehearts, Hillary Clinton, ein perfektes liberales Paar im Weißen Haus ab.
Angesichts des Drucks der Rechten rücken einige Anwärter schon in deren Richtung. Gouverneur Scott Walker ist als "Gewerkschaftsfresser" nicht gerade moderat positioniert. Um bei den Vorwahlen mehr Chancen zu haben, hat er zuletzt bei zentralen Themen seine Position geändert: Er war offen für die Option einer Staatsbürgerschaft für illegale Immigranten - nun ist er strikt dagegen. Erst wollte er die Entscheidung über eine Abtreibung der Frau und ihrem Arzt überlassen - auch das ist passé.
Die immer gereizter geführten Kämpfe werden zu einem Problem für die Kandidaten. Wer sich am Ende der gut einjährigen Vorwahlschlacht durchsetzt, geht beschädigt in die Auseinandersetzung mit dem Nominierten der anderen Partei. Auf dem parteiinternen Schlachtfeld gibt es bloß noch Polit-Invaliden, die für die Wahl im November 2016 ihre Positionen erst recht modifizieren müssen. Das könnte dann ein Vorteil für die Demokraten und ihre aussichtsreichste Option Hillary Clinton sein, wenn durch ihr Antreten andere Hopefuls von einem Einstieg abgehalten werden.
Der entscheidende Punkt ist aber: Die Attacken beeinträchtigen das politische System. Partei- und zielgruppenübergreifende Kommunikation wird schwieriger, der Fokus auf die Mobilisierung abgegrenzter Anspruchsgruppen verstellt den Blick für verbindende Elemente. Die einander schon unversöhnlich gegenüberstehenden Lager werden so nur noch polarisierter.